Auf einen Blick
Wann ist ein Projektabbruch unvermeidlich? In diesem Artikel werden vier Dimensionen betrachtet, wobei die Ursache der Projektkrise im Mittelpunkt steht: Abhängig von Zeit-, Kosten-, Ziel- und Machbarkeitskrise helfen gezielte Fragen dabei, über einen Projektabbruch oder das Fortsetzen zu entscheiden.
In Projekten ist es nicht ungewöhnlich, wenn Risiken bewusst eingegangen werden und sich alle Beteiligten darüber im Klaren sind: Ja, unser Projekt kann trotz aller Bemühungen vor die Wand fahren!
Doch trotz allen Risikobewusstseins: Wann ist der Punkt erreicht, an dem es wirklich nicht mehr weiter geht? Genau diese Frage beantworten wir in diesem Artikel.
Risiko = normal
Ein Projekt wird geplant und reibungslos durchgeführt, ohne Hürden, Probleme und Risiken? Tja … so ein Projekt hast du vermutlich noch nicht erlebt, oder? Projekte allgemein und Entwicklungsprojekte im Besonderen werden oft mit einem hohen Maß an Risiken gestartet. Oft ist die Machbarkeit von Beginn an unklar, auch Schätzungen zu Terminen und Budgets entspringen eher dem Bauchgefühl als harten Kalkulationen.
Kann das funktionieren? Warum werden Projekte gestartet, wenn so viele Unsicherheiten bestehen? Ganz einfach: Es geht eben nicht immer „nur“ um den Bau des dreiundzwanzigsten Einfamilienhauses, sondern nicht selten um große und strategische Themen, um gänzlich neue Wege.
Projekte werden nicht selten gestartet, um:
- Chancen zu nutzen, von denen sich ein großer Nutzen versprochen wird – auch wenn das Eintreten unsicher ist.
- Sich einen strategischen Vorteil auf dem Markt zu verschaffen.
- Kosten zu senken, um wettbewerbsfähiger zu sein und mehr Spielraum für anderes zu haben.
- Das Prestige zu erhöhen – sowohl intern als auch nach außen.
Dabei steht oft viel auf dem Spiel: Innerhalb der Organisation geht es nicht selten um das persönliche Prestige des Projektleiters und der Unterstützer – wer will schon gern zu den Verlierern gehören? Auch außerhalb der Organisation kann das Ansehen des Unternehmens leiden, sofern das Projekt und das Scheitern nach außen sichtbar werden. Nicht zuletzt werden mit steigender Projektlaufzeit immer mehr Ressourcen investiert.
Über die strategische Relevanz von Projekten
Wie groß die Schmerztoleranz bei haarigen Projekten ist, hängt in hohem Maße von der strategischen Relevanz des Projekts ab. Bereits zum Projektstart sollte feststehen, welche Bedeutung das Projekt für die Organisation hat.
Fragen zur Einstufung:
- Ist es für das langfristige Überleben des Unternehmens wichtig?
- Kann ein bedeutender Wettbewerbsvorteil erarbeitet werden?
- Was passiert, wenn das Projekt nicht erfolgreich abgeschlossen wird?
Abhängig von den Antworten kann die Strategie für ein Projekt in der Krise unterschiedlich aussehen. Strategisch essenziell wichtige Projekten werden auch trotz tiefroter Zahlen eher gerettet, als “nice to have”-Projekte.
Wie erkennt man, dass ein Projektabbruch erforderlich ist?
Selbst wenn feststeht, dass eine (für das Projekt) existenzielle Krise besteht, muss das Projekt nicht zwingend abgebrochen werden. Oft werden zunächst Task Forces eingesetzt, die Handlungsfähigkeit wieder hergestellt oder bereits erarbeitete Ergebnisse in einem Folgeprojekt bearbeitet.
Doch was ist das richtige Vorgehen? Woher weißt du, wann ein Projektabbruch nicht zu vermeiden ist? Das hängt unter anderem von der strategischen Relevanz (siehe voriger Abschnitt) und von den Ursachen der Krise ab. Hierbei unterscheiden wir vier Krisen-Dimensionen:
- Zeitkrisen,
- Kostenkrisen
- Zielkrisen
- Machbarkeitskrisen
Wichtig:
Eine Krise kann dabei auch mehrere Dimensionen gleichzeitig beinhalten. Es ist nicht ungewöhnlich, dass die Machbarkeit unklar ist und deshalb Zeit und Kosten aus dem Ruder laufen. In erster Näherung solltest du jedoch versuchen, nacheinander jede Dimension einzeln zu betrachten.
Ein Projektabbruch ist in der Regel bereits dann kaum vermeidbar, sobald er in nur einer der Dimensionen angezeigt wird. Zu jeder Dimension haben wir in den folgenden Abschnitten ein Entscheidungsdiagramm für dich: Abbruch – ja oder nein?
Aber Vorsicht: Sieh die Diagramme als Empfehlung, nicht als “harte” Herangehensweise. Projektmanagement mit all seinen Einflüssen von außen ist zu komplex und individuell, um alle Aspekte abzubilden.
Zeitkrise
Eine Zeitkrise ist oft recht deutlich erkennbar: Eine Deadline nach der anderen wird gerissen, womöglich ist der Endtermin komplett unsicher. Folgendes solltest du dich fragen:
- Ist das Projektergebnis überhaupt noch relevant, wenn das Projekt zu spät fertig wird? In sich immer schneller drehenden Märkten können Projektergebnisse obsolet werden, wenn die ursprüngliche Planung nicht gehalten werden kann.
- Wie viel kostet das Beschleunigen des Projekts im Vergleich mit dem Inkaufnehmen der Verzögerung?
Je nach den Antworten kann dein Projekt mit Verzögerung oder Mehrkosten durch Beschleunigung fortgeführt werden – oder aber es bleibt nur der Abbruch.
Kostenkrise
Auch die Kostenkrise ist dir sicher nicht unbekannt. Nicht selten weist dich das Controlling auf rote Zahlen hin, die sich nicht mal eben auf Grün umstellen lassen. Stelle dir in diesem Fall folgende Fragen:
- Kannst du in einem Projekt so sparen, dass das Erreichen der Muss-Ziele nicht gefährdet ist? Wenn ja – dann tut das!
- Falls du „nur“ ein Finanzierungsproblem hast und dieses lösen kannst, dann steht einem Fortführen des Projekts nichts im Weg.
- Falls allerdings generell das Kosten-Nutzen-Verhältnis nicht (mehr) gerechtfertigt ist, dann bleibt nur der Projektabbruch.
Zielkrise
Besonders Langläufer-Projekte sind einem hohen Risiko ausgesetzt: Was, wenn die Ziele nicht mehr relevant sind? Was, wenn die Unternehmensstrategie so geändert wird, dass eine Einführung des neuen IT-Systems nicht mehr ins Portfolio passt?
In solchen Situationen dreht sich alles um Kosten- und Nutzenbetrachtungen. Womöglich sind Ziele nur teilweise obsolet und der verbleibende Nutzen rechtfertigt die Kosten. Oder das Projekt kann an die neue Situation so angepasst werden, dass mit einer Umplanung ein Fortführen sinnvoll ist.
Schwierig ist es allerdings dann, wenn weder der verbleibende Nutzen gerechtfertigt ist noch das Projekt mit vertretbarem Aufwand angepasst werden kann – dann bleibt nur der Abbruch.
Machbarkeitskrise
Die Machbarkeitskrise ist besonders in Entwicklungsprojekten gar nicht so unüblich. Hier scheint es auf den ersten Blick besonders schwer, sich für einen Projektabbruch zu entscheiden – schließlich werden Projekte wie diese generell unter hohen Risiken gestartet.
Doch auch hier kannst du dich fragen: Ist ein Scheitern sicher und es gibt Nachweise dafür? Tja … dann stehen die Zeichen auf Abbruch. Auch, wenn der Erkenntnisgewinn aus einem gescheiterten Projekt aus Kosten-/Nutzenperspektive zu gering und das Risiko zu hoch ist, kommst du um einen Abbruch nicht herum.
Ein Projekt sauber abschließen – aber wie?
Nach dem Projekt ist vor dem Projekt – schon allein deshalb fällt ein runder Projektabschluss oft unter den Tisch. Schade eigentlich, schließlich müssen Projektergebnisse übergeben und Erfahrungen gesichert werden. Souverän und selbstsicher Projekte leiten: Das ist kein Kinderspiel! Falls du deine Projekte stressfrei und erfolgreich managen möchtest oder eine Zertifizierung anstrebst: Die flexible ittp-Online-Ausbildung schafft den entscheidenden Vorteil für deinen nächsten Karriereschritt. In fokussierten Micro-Learning-Modulen erhältst du alle Werkzeuge, um produktive Teams zu führen und herausragende Projektergebnisse zu erzielen – zufriedene Kunden inklusive.
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Wie lange solltest du versuchen, ein Projekt zu retten?
Zurück zur eigentlichen Frage: WANN solltest du ein Projekt abbrechen? Wenn du dich an den obigen Diagrammen orientierst, kann die Antwort darauf ganz einfach sein:
- Sobald ein Projektabbruch klar erforderlich ist (siehe oben), dann solltest du eine Rettung gar nicht erst versuchen. Hier ist Handeln gefragt, auch wenn es weh tut. Alles andere wäre fahrlässig und eine Verschwendung von Ressourcen.
- Wenn allerdings die Lage unklar ist und “nur” von Risiken und Möglichkeiten gesprochen wird, dann wirst du in der Regel nicht allein entscheiden. Es braucht eine enge Absprache mit dem Auftraggeber: Welche Risiken ist er bereit wie lang zu tragen?
Wichtig ist an dieser Stelle immer: Möglicherweise können Teilaspekte des Projekts in ein verkleinertes oder neues Projekt gerettet werden. Alternativ kann auch das Projekt komplett umgestaltet und mit gänzlich neuen Zielen geplant werden. Auf diese Weise kannst du dem Motivationsverlust im Team entgegenwirken, es sieht nach außen oft besser aus und kann die Bürokratie minimieren (nicht schon wieder ein neuer Projektantrag!).
Zugegeben: Ist so eine komplette Umgestaltung neu Neuplanung nichts anderes als ein Abbruch und Start eines neuen Projekts? Mag sein – aber manchmal entscheidet auch die Formulierung über die Akzeptanz bei den Beteiligten.
Fazit
Gibt es eine einfache Antwort auf die Frage „Abbrechen oder nicht?” Tja … schön wär’s … aber so einfach ist es dann eben doch nicht. Extrem individuelle Situationen ziehen eben auch individuelle Antworten nach sich.
Trotzdem haben wir eine Handlungsempfehlung für dich: Sobald in einer der vier Krisendimensionen (Zeit, Kosten, Ziele und Machbarkeit) ein Projektabbruch angezeigt wird, dann hast du praktisch keine andere Wahl.
In allen anderen Fällen hängt die Fortführung individuell von den Risikoabschätzungen und den Grundprämissen und der strategischen Relevanz des Projekts ab.