Auf einen Blick
Mittels Ich-Botschaften werden in Gesprächen eigene Ansichten, Gefühle und Wünsche geäußert. Durch den Fokus auf die eigene Person wirken Ich-Botschaften deeskalierend und führen zu besseren Lösungen in potenziellen Konfliktsituationen und klingen auf den ersten Blick auch leicht umzusetzen. In diesem Artikel findest du eine Reihe von Beispielen, Formulierungshilfen und Stolperfallen.
„Du bist immer unpünktlich! Auf dich kann man sich einfach nicht verlassen!“
Kein guter Start für eine gute Unterhaltung unter Kollegen, oder? Aber irgendwie musst du die Unzufriedenheit ansprechen können, richtig? Wie kannst du es also schaffen, deinen Frust über die Unpünktlichkeit nicht in dich reinfressen zu müssen, ohne dass ein offener Konflikt und schlechte Stimmung entsteht? Die Antwort darauf kann einfach sein: mit Ich-Botschaften statt Du-Botschaften! Schauen wir uns genauer an, wie das funktioniert.
Was ist eine Ich-Botschaft und was ist keine?
Bei Ich-Botschaften (im Englischen: I-Messages) ist der Name Programm: In einem Dialog werden eigene Ansichten und Gefühle geäußert, statt das Verhalten des Gegenübers zu bewerten. Dieser Art der Kommunikation wird eine deeskalierende Wirkung zugeschrieben.
Bleiben wir im Beispiel.: Angenommen, statt „Du bist immer unpünktlich!“ würdest du formulieren:
„Ich mag es nicht, dass du immer unpünktlich bist.“
Hm, auch nicht wirklich besser, oder? Und das, obwohl da ein „Ich“ am Anfang des Satzes steht. Ich-Botschaften sind also nicht automatisch echte Ich-Botschaften, nur weil der Satz mit „Ich“ anfängt. Entscheidend hierbei ist nach dem Psychologen Thomas Gordon nämlich, dass sich der andere dabei nicht in eine Ecke gedrängt fühlt, sondern der Fokus auf den eigenen Empfindungen liegt.
Das Konzept der I-Messages wurde bereits in den 1960er Jahren von Thomas Gordon entwickelt, nach dem eine Ich-Botschaft folgende Komponenten beinhalten soll:
- Eine kurze, nicht vorwurfsvolle Beschreibung des VERHALTENS, das du als inakzeptabel empfindest.
- Deine GEFÜHLE.
- Die greifbare und konkrete AUSWIRKUNG des Verhaltens auf dich.
Mittels Ich-Botschaften gibst du also deine eigenen und persönlichen Eindrücke wieder, was in manchen Situationen durchaus ein wenig Mut und Ehrlichkeit erfordern kann. In einer klassischen Du-Botschaft lenkst du den Fokus auf deinen Gesprächspartner, während in einer Ich-Botschaft auch eigene Wünsche und Gefühle ihren Platz finden sollten.
Also: Wie könntest du den Unmut über die Unpünktlichkeit des Kollegen als echte Ich-Botschaft ausdrücken? Eine Möglichkeit wäre:
„Ich habe einen wirklich engen Terminplan (eigener Eindruck über die Situation), deswegen fühle ich mich schnell unter Druck (eigene Empfindung), wenn das Meeting nicht pünktlich anfängt.“
Wie würdest du dich als der unpünktliche Kollege nun fühlen? Wahrscheinlich kommen eher leichte Schuldgefühle hoch anstatt Ärger und Wut, oder? Durch die Selbstoffenbarung in der Ich-Botschaft wird eine ganz andere Gesprächsgrundlage geschaffen, die dem Gegenüber die Möglichkeit eröffnet, sich ebenfalls emotional zu öffnen. Auf diese Weise können kommunikative Konflikte verhindert oder zumindest gedämpft werden.
Wichtig:
Das Vermeiden von Du-Botschaften darf nicht dazu führen, dass du das Problem nicht ansprichst und damit unterschwellig weiter in dir trägst. Störungen anzusprechen, gehört genauso zum professionellen Miteinander wie Lob und Anerkennung bei guter Leistung. Entscheidend ist also, wie wir diese Störungen kommunizieren.
Vorteile von Ich-Botschaften
Was passiert also genau, wenn es dir gelingt, mit Ich-Botschaften zu kommunizieren? Sie bringen eine Reihe von Vorteilen mit:
- Konstruktiver Inhalt: Indem du über den wahren Kern der Situation sprichst und keine wilden Schuldzuweisungen um dich wirfst, wird der Inhalt automatisch konstruktiver. Du kommunizierst damit ein „Mehr“ an Inhalt.
- Persönliche Nähe: In der anfänglichen Version der Du-Botschaft wird nur mitgeteilt, dass der Kollege unpünktlich ist. In der Ich-Botschaft wird hingegen vermittelt, warum die Unpünktlichkeit ein Problem für dich ist und woher diese Emotionen kommen. Indem du deine eigenen Empfindungen aussprichst, entsteht eine persönliche Nähe, die förderlich für die Konfliktlösung sein kann.
- Keine Verurteilung von Personen: Mit diesen Formulierungen steht nicht die Verurteilung und die Unzulänglichkeiten einer Person im Vordergrund, sondern die Situation an sich.
- Einladung zur Klärung: Durch Öffnen und Äußern der eigenen Ansicht kommst du dem Ziel näher – nämlich eine Lösung zu finden, die für alle künftig besser ist.
Die optimale Formel für Ich-Botschaften
Wir haben nun also gesehen, dass das reine Wort „Ich“ in einem Satz noch keine Ich-Botschaft ausmacht. Aber wie geht es besser? Ganz einfach: Es gibt eine simple Formel, die du dir gerne merken kannst:
Die ultimative Formel für Ich-Botschaften:
Ich + Beobachtung (Sachaussage) + eigene Gefühle + Wunsch
Ich-Botschaften und Du-Botschaften: Beispiele
Ein paar Beispiele gefällig? Hier sind sie:
Du-Botschaft | Ich-Botschaft |
---|---|
Immer kommst du zu spät zum Meeting! | Ich habe einen wirklich engen Terminplan (eigener Eindruck über die Situation), deswegen fühle ich mich schnell unter Druck (eigene Empfindung), wenn das Meeting nicht pünktlich anfängt. |
Du hast das Meeting verpasst, du hattest wohl Besseres zu tun? | Ich habe dich beim letzten Meeting vermisst. Ich habe den Eindruck, dass dir das Projekt nicht wichtig genug ist, was ich wirklich schade finde. Können wir uns nochmal zu zweit darüber austauschen, wo die Prioritäten liegen? |
Immer unterbrichst du mich! | Ich werde nun zum dritten Mal unterbrochen und kann meine Gedanken so nicht zu Ende führen. Ich möchte hier so wie alle anderen aussprechen können, danach können wir gern diskutieren. |
Immer liegt dein Kram hier rum! Nie räumst du auf! | Ich sehe die Klamotten hier seit drei Tagen auf dem Boden liegen. Mich stresst Unordnung, das schafft so eine innere Unruhe. Es wäre schön, wenn wir beide hier einen Weg finden, der für uns beide tragbar ist. |
Noch als finaler Tipp zum Schluss: Vermeide bei Ich-Botschaften Killerphrasen wie:
Nie, immer, alle, kein einziges Mal. Du kannst den Satz auch gerne mit einem „Wenn“ beginnen, um direkt aufzuzeigen, dass die Situation eben nicht immer so ist wie grade eben („Wenn das Meeting nicht pünktlich starten kann, fühle ich mich genervt.“). Gute Satzanfänge können auch sein:
- „Es hat mich geärgert, dass …“
- „Ich wünsche mir, dass …“
- „Ich war enttäuscht, weil …“
- „Ich fühle mich …“
Fazit
Durch Ich-Botschaften kannst du Störungen klären, ohne dass daraus ein offener Konflikt werden muss. Durch den Fokus auf eigene Empfindungen und Wahrnehmungen verliert niemand im Gespräch sein Gesicht, sondern alle Beteiligten können sich auf die Lösung fokussieren.
Wichtig: Ein „Ich“ am Anfang des Satzes macht dabei noch keine wirkliche Ich-Botschaft aus. Es erfordert eine Portion Mut und vor allem Ehrlichkeit, über die wahren eigenen Empfindungen einer Situation aus der Ich-Perspektive sprechen zu können. Aber: Es lohnt sich!
Übrigens, wenn trotzdem mal zum Konflikt kommt, kannst du dir auch gerne die 6 besten Kommunikationsmethoden für effektives Konfliktmanagement ansehen.
Fragen und Antworten
Eine gute und wirkliche Ich-Botschaft kann nach der folgenden Formel formuliert werden: Ich + Beobachtung (Sachaussage) + eigene Empfindung + Wunsch. Ein Beispiel: Ich habe einen wirklich engen Terminplan (eigener Eindruck über die Situation), deswegen fühle ich mich schnell unter Druck (eigene Empfindung), wenn das Meeting nicht pünktlich anfängt.
Durch die Formulierung in Ich-Botschaften entsteht eine offene Kommunikationsgrundlage, da nicht die Verurteilung einer Person im Vordergrund steht, sondern die eigenen Empfindungen einer Situation. Dadurch wird durch mehr emotionale Nähe eine Einladung zur Klärung der Situation geschaffen, anstatt den anderen mit Schuldzuweisungen zu konfrontieren.
– Ich habe einen wirklich engen Terminplan (eigener Eindruck über die Situation), deswegen fühle ich mich schnell unter Druck (eigene Empfindung), wenn das Meeting nicht pünktlich anfängt.
– Ich habe dich beim letzten Meeting vermisst. Ich habe den Eindruck, dass dir das Projekt nicht wichtig genug ist, was ich wirklich schade finde. Können wir uns nochmal zu zweit darüber austauschen, wo die Prioritäten liegen?
– Ich werde nun zum dritten Mal unterbrochen und kann meine Gedanken so nicht zu Ende führen. Ich möchte hier so wie alle anderen aussprechen können, danach können wir gern diskutieren.