Auf einen Blick
Agile Methoden im privaten Umfeld? Warum nicht! In diesem Artikel erfährst du, wir du ein Kanban-Board nutzt, um den Familienalltag zu organisieren.
Wer kümmert sich in deiner Familie um die Projekte? Wer sorgt dafür, dass alle Aktivitäten und Aufgaben rechtzeitig erledigt werden? Welche Planungsmethoden nutzt du im Familienalltag?
Agiles Projektmanagement eignet sich hervorragend für die Organisation aller Familienaktivitäten. Alle Familienmitglieder werden einbezogen.
Vorteile von agilem Projektmanagement
Agiles Projektmanagement, Scrum und Kanban sind aktuell sehr gefragt. Diese Methoden sind flexibel einsetzbar. Auf äußere Einflüsse kann man schnell reagieren. Die Entwicklung von Produkten orientiert sich an den Bedürfnissen des Marktes. Auf diese Weise wird vorgebeugt, dass man nichts entwickelt, was den Bedürfnissen der Auftraggeber/Kunden nicht entspricht. Im Backlog werden alle Aufgaben/Aktivitäten gesammelt. Alle Aufgaben, weitere Features, Verbesserungsvorschläge oder Feedback zum Prototypen wandern ins Backlog und werden priorisiert. Auch Marktentwicklungen können bei agilen Methoden gut berücksichtigt werden.
Zur Visualisierung des Arbeitsfortschritts und zur Planung des nächsten Arbeitsabschnitts (Sprints) können Scrum- oder Kanban-Boards eingesetzt werden. Das kennst du sicherlich schon. Ein einfaches Board besteht aus drei Spalten „to do“, „in progress“ und „done“. Abhängig vom Status der Aufgabe wandern die Karten durch diese Spalten. Je nach Branche und Anwendungsfall können auch weitere Spalten eingefügt werden.
Warum eine agile Projektmanagementmethode für die Familie?
In jeder Familie gibt es einiges zu organisieren und sehr oft werden die Pläne verworfen, wenn etwas Unvorhergesehenes dazwischen kommt: Ein Kind wird krank, es werden viele Hausaufgaben aufgegeben oder sie dauern länger als geplant, Eltern müssen vielleicht länger arbeiten oder der Kühlschrank ist leer bevor der nächste Wocheneinkauf ansteht.
Hierbei ist die gesamte Familie als Projektteam zu sehen.
Unsere ersten Kanbanboards haben wir für die Urlaubsplanung erstellt und waren überrascht, wie spontan unsere Planung auf äußere Einflüsse (Wetter, ausgebuchte Museen) angepasst werden konnte. Wichtig war uns auch, dass jeder seine Ideen und Wünsche ins Backlog stellen konnte, damit wir dann daraus auswählen konnten. Jeder Urlaubstag wurde neu geplant. Durch die Visualisierung der Aufgaben und Fortschrittskontrolle hatte jeder den Überblick, was geplant ist und was schon erledigt wurde.
Was im Urlaub funktioniert, funktioniert auch im Alltag
Alle Familienaktivitäten lassen sich agil planen. Beim Familien-Management hast du natürlich auch ganz viele Aufgaben, die von der Familie erledigt werden müssen (Kühlschrank auffüllen, Kleidung einkaufen, Gartenarbeit, Hausaufgaben, Haushalt, etc.).
Meistens werden diese Aufgaben und Aktivitäten von den Eltern gemanagt, was zur Folge hat, dass die Eltern oft Aufgaben von Kids übersehen oder sich die Kids nicht wirklich integriert fühlen.
Beispiel für eine Tagesplanung mit Kanban
Aufsetzen des Backlogs
Jeder in der Familie schreibt seine Aufgaben, Aktivitäten und Wünsche für eine komplette Woche auf Karten. Am besten eigenen sich Post-its. Wenn jedes Familienmitglied eine eigene Farbe hat, wir klar, wer für die Aufgabe zuständig ist, bzw. wer den Wunsch geäußert hat. Ist das Backlog für die Woche gefüllt, sieht man schon an der Farbhäufigkeit, ob die Aufgaben/Wünsche „gerecht“ verteilt sind. Jedem Familienmitglied sollte klar sein, welche Aufgaben hier eingestellt sind. Aufwand, Deadlines, „Definition of done“ und Verantwortliche sowie Teammitarbeiter können eingetragen werden. Wenn was Neues dazu kommt, einfach eine Karte im Backlog ergänzen.
Die Karten für den Tag auswählen
Jeden Morgen nach dem Frühstück könnt ihr euch dann zusammen finden und die Karten für den Tag auswählen. Jeder weiß, wie viel Zeit er für Familienaufgaben zur Verfügung hat und kann dementsprechend auswählen. Jeder kann die Kärtchen, die er erledigen möchte, in die in die Spalte „to do“ ziehen. Hier steht dann alles was für den Tag geplant ist.
Review am Abend
Am besten ist es, wenn am Ende des Tages oder auch schon früher alle Kärtchen in die Spalte „done“ verschoben sind. Gab es Probleme, wo man Hilfe benötigt oder was auf ein Ereignis warten, kann man eine Spalte „waiting“ einführen. So sieht man welche Aufgabe hängt, bzw. wer von der Familie Unterstützung benötigt. Wenn man bei den Hausaufgaben nicht weiter kommt und Unterstützung von Eltern oder Geschwistern benötigt. Bei den Karten, die nicht erledigt wurden prüft man kurz die Ursache und schiebt sie wieder ins Backlog zurück.
Benefit des Kanban-Boards für die Familie
Mit Hilfe des Kanban-Boards visualisierst du alle Aktivitäten in der Familie. Man erkennt nicht nur, was noch zu tun ist, sondern auch, was man alles für die Familie geleistet wurde. Wenn du das Board auch noch nach verschiedenen Aufgabengebieten sortierst, siehst du auch wo die meisten Aktivitäten liegen. Aktivitäten können gezielt eingeplant werden, wenn du das Board in Swimlanes aufteilst.
Hier ein Beispiel-Board für eine 4 köpfige Familie: Vater Hans (H, grün) Mutter Juliane (J, rosa), Tocher Melinda (M, orange) und Sohn Tim (T, gelb) aufgeteilt in 4 Swimlanes.
Das Kanbanboard hilft die Zuordnung der Aktivitäten zu den Familienmitgliedern zu visualisieren und verhindert, dass die Arbeit von der Familie auf wenige Personen verteilt ist. Alle Familienmitglieder werden je nach ihren Fähigkeiten einbezogen werden, nicht nur bei der Umsetzung, sondern auch in die Planung. Ein weiterer Vorteil ist der rege Austausch beim Befüllen des Backlogs.
Eine Überlastung der einzelnen Familienmitglieder kann vermieden werden, wenn man WIP-Limits einführt. WIP (work in progress) dient dazu, die Teammitglieder nicht zu überlasten. z.B. max. 3 Karten für Eltern am Tag und max 1-2 für die Kids.
Kanban-Boards sind superflexibel
Du kannst beispielsweise ein Haushaltsboard erstellen oder ein Freizeitboard oder auch berufliche Themen mit Familienthemen kombinieren. Kanban ist sehr flexibel und ich empfehle, dass du dein Kanbanboard für eure Bedürfnisse optimierst. Das Kanban-Board darf wachsen und sich anpassen. Wenn die Kids älter sind eignen sich auch digitale Boards z.B. mit Trello.
Egal ob du Kanban Board für den Beruf oder für die Familie einsetzt: sie haben den Vorteil dass sie dir einen Überblick über alle Aktivitäten und den jeweiligen Status geben.
Gastautor: Dr. Silvia Schäfer
Dr. Silvia Schäfer ist promovierte Chemikerin und arbeitet als digitale Projektmanagerin. Mit ihren digitalen Angeboten unterstützt sie Eltern in ihrem Streben nach beruflicher Leistung und Zufriedenheit in der Familie. Sie lebt mit ihrer 5-köpfigen Familie in Frankfurt am Main.
Vielen Dank!
Aber … Projektmanagement ist das nicht (siehe Projektdefinition (u.a. einmalig, definierter Start, Ablauf und definiertes Ende – http://www.projektmanagementhandbuch.de/projektinitiierung/projektdefinition/.
Es ist doch eher Prozessmanagement.
Trotzdem: Eine nette Idee!
Hallo und guten Morgen!
Das war auch mein erster Gedanke. Familienmanagement ist nach Definition Prozessmanagement (plus ein paar Projekte).
Niemand verbietet jedoch, Methoden des (agilen) Projektmanagements zur Organisation der Prozesse des Familienmanagements zu nutzen. Der Gastartikel greift ja genau einzelne Methoden auf und zeigt, wie man die im Familienmanagement einsetzen kann.
Für mich persönlich stellt sich dann die Frage, ob Kinder, die in einer gewissen Selbstverständlichkeit so aufwachsen, später unsere besten Projektmanager werden? ;-)
Andere könnten argumentieren, dass man solche Methoden nicht zu früh einführen sollte, da doch immer die Gefahr eines übertriebenen Leistungsdrucks in frühen Jahren besteht. Daher denke ich persönlich, dass es wichtig ist, das ganze vor allem spielerisch umzusetzen, und nicht mit der Strenge eines professionellen Prozessmanagements.
Klare Vorteile auch für Kinder: Transparenz, Berechenbarkeit, Stabilität, Gerechtigkeit. Sätze wie „Aber meine Schwester muss nie den Müll rausbringen. Immer ich!“ dürften damit der Vergangenheit angehören.
Hallo zusammen,
danke Werner für deine kritische und richtige Bemerkung. Und danke auch an Alexander für die zutreffende Antwort. Kinder lieben diese Transparenz.
Der Fokus des Familienboards liegt auf dem Visualisieren der Tätigkeiten. Auf einen Blick sieht man, was getan ist und was noch offen ist. Es eignet sich für Routinen (Haushalt, Schule, Freizeitgestaltung) oder Projekte (Urlaub, Umzug, Einschulung). Die Idee ist, sich jeweils ein Board zu bauen, dass den aktuellen Bedürfnissen entspricht. Mal mehr, mal weniger Details; für kurze oder längere Zeiträume.
Wir bauen uns die verschiedenstens Boards, wenn sie uns helfen, unseren Familienalltag zu visualisieren. Wenn wir keine brauchen oder es zuviel an Dokumentation ist, lassen wir sie einfach weg. Wenn es erforderlich ist, gibt es ein Scrum-Projekt mit allen Facetten :-).
Gerade diese Flexibilität hilft uns. Es geht nicht darum, den Familienalltag perfekt zu managen. Mit dem Familienboard geht es leichter und schneller die Aktivitäten zu visualisieren und diejenigen zu machen, die uns wirklich Spaß und Zufriedenheit bringen.
Ein schönes Wochenende wünscht euch
Silvia