Auf einen Blick
Retrospektiven sind moderierte Meetings im Projekt, in denen ein Team außerhalb der täglichen Arbeitsroutinen über die Zusammenarbeit reflektiert und mögliche Ansätze zur Verbesserung herausarbeitet. Regelmäßige Retrospektiven sind feste Bestandteile in agilen Projekten und führen auch in traditionell geplanten Projekten zu einer Optimierung der Teamprozesse.
Schon mal von Retrospektiven gehört? Nicht? Dann bist du vermutlich nicht im agilen Umfeld unterwegs – insbesondere im Scrum gehören Retrospektiven fest zum Scrum-Prozess. In diesem Artikel erhältst du nicht nur einen Überblick über Retrospektiven allgemein, sondern lernst auch 9 konkrete Retrospektive-Methoden näher kennen.
Was ist eine Retrospektive?
Eine Retrospektive ist ein Meeting, in dem ein Projektteam die inhaltliche Ebene verlässt und folgende Fragen bespricht:
- Wie können wir als Team effektiver arbeiten?
- Wie können wir die Qualität unserer Arbeitsergebnisse erhöhen?
- Welche wichtigen Ereignisse gibt es seit der letzten Retrospektive?
Wichtiger Unterschied zu regulären Projektmeetings: Die Teams verlassen die tägliche Routine und blicken mit Abstand auf ihre Prozesse und Zusammenarbeit.
Wird eine Retrospektive nur in agilen Projekten durchgeführt?
In agilen Projekten sind Retrospektiven ins Projekt fest „eingebacken“ – die Sprint-Retrospektive ist fester Bestandteil des Scrum-Prozesses. Diese Meetings finden regelmäßig am Ende eines Sprints statt und umfassen z. B. 90 Minuten nach einem zweiwöchigen Sprint.
Du arbeitest in traditionellen Projekten? Auch kein Problem – der Grundgedanke bleibt schließlich gleich: Auch Teams in nicht-agilen Projekten sollten regelmäßig reflektieren, an welchen Stellschrauben besonderes Potenzial liegt. Da im Gegensatz zu agilen Projekten nicht in allen Prozessen solche Meetings fest eingeplant sind, ist es Aufgabe des Projektmanagers, darauf zu achten und bei Bedarf eigene Prozesse zu schaffen. Absolutes Minimum: Eine Retrospektive am Ende des Projekts. Deutlich besser: Kürzere Retrospektiven und kürzeren Abständen, um bereits während der Projektlaufzeit reagieren zu können.
Was wird zur Durchführung einer Retrospektive benötigt?
Eine Retrospektive ist keine komplizierte Wissenschaft und unterscheidet sich von der Ausstattung her nicht von anderen Meetings. Was ist sinnvoll? Whiteboard, Flipchart, Karten und Stift – die typische Grundausstattung. Für virtuelle Teams gibt es eine Vielzahl von Anbietern für Online-Retrospektiven. Unabhängig von den eingesetzten Werkzeugen sollte ein Moderator durch die Retrospektive führen und den Prozess moderieren.
9 spannende Retrospektive-Methoden im Überblick
Das alles ist dir noch zu allgemein? Kein Problem! Sobald du die verschiedenen Methoden näher betrachtest, wird das Konzept einer Retrospektive sehr viel anschaulicher.
1. Die Start-Stop-Retrospektive
So einfach wie genial: Nur zwei Fragen geben Aufschluss darüber, was im Projekt gut gelaufen ist – und woran gearbeitet werden darf:
- Start Doing This: Was wollen wir besser machen?
- Stop Doing This: Was lief nicht gut?
2. Die Start-Stop-Continue-Retrospektive
Warum nicht auch Dinge nennen, die gut gelaufen sind und sich bewährt haben? Diese Retrospektive ist eine Erweiterung der Start-Stop-Retrospektive und fügt die Spalte „Continue“ hinzu:
- Start Doing This: Was wollen wir besser machen?
- Stop Doing This: Was lief nicht gut?
- Continue: Was behalten wir bei?
3. Die 4L-Retrospektive
Ähnlicher Ansatz, andere Buchstaben: Bei der 4L-Retrospektive werden vier Bereiche definiert:
- Liked: Was lief gut?
- Learned: Was haben wir gelernt?
- Lacked: Was hat gefehlt?
- Longed for: Was hätten wir uns gewünscht?
Sehr aufschlussreich können „Lacked“ und „Longed“ sein: Beide Bereiche sind eher vage und gut geeignet für Ideen und neue Ansätze. Du magst lieber 5L? Dann nimm noch „Loathed: Was fanden wir richtig nervig?“ hinzu!
4. Die Starfish-Retrospektive
Immer nur Spalten sind doch auch langweilig! Warum nicht mal einen Seestern zurate ziehen? Die Themengebiete kommen dir vermutlich mittlerweile bekannt vor, die Darstellung unterscheidet sich von den vorhergehenden Retrospektive-Methoden:
- Start Doing: Was wollen wir Neues machen?
- Stop Doing: Was hat sich nicht bewährt?
- Keep Doing: Was wollen wir beibehalten?
- More of: Was wollen wir häufiger tun?
- Less of: Was wollen wir reduzieren?
5. Die Anchors and Engine-Retrospektive
Ebenfalls aufschlussreich und mit zielgerichteten Fragen ausgestattet: Blockierende Anker und vorantreibende Motoren werden in dieser Retrospektive-Methode näher betrachtet:
- Anchors: Was hat uns blockiert und zurückgehalten?
- Engines: Was hat uns vorangebracht?
6. Die Timeline-Retrospektive
Ein ganz anderer Ansatz! Was lief gut und schlecht im Projektverlauf? Diese Methode legt mehr Fokus auf die Vergangenheit und hebt hervor, wann im Projekt bestimmte Ereignisse eingetreten sind. Optionaler Bonus: Zusätzlich zu positiven und negativen Ereignissen kann die Stimmung im Team hinterlegt werden – wenn gewünscht sogar für jedes einzelne Teammitglied.
7. Die FLAP-Retrospektive
Zurück zu den beliebten vier Feldern: Im Gegensatz zu den anderen Methoden stich hier der Bereich „Accomplishments“ hervor – ein schöner Moment, sich auf die Schulter zu klopfen und sich über Geleistetes zu freuen.
- Future Considerations: Worauf müssen wir zukünftig achten?
- Lessons Learned: Was haben wir gelernt?
- Accomplishments: Was haben wir erreicht?
- Problem Areas: Wo gab es Probleme?
8. Die DAKI-Retrospektive
Inhaltlich keine große Unterscheidung von anderen Retrospektive-Methoden, aber vielleicht findet ja jemand DAKI besonders spannend? Folgende vier Bereiche werden hier genutzt:
- Drop: Was lassen wir weg? Was hat sich nicht bewährt?
- Add: Was werden wir Neues umsetzen?
- Keep: Was hat sich bewährt?
- Improve: Was werden wir verbessern?
9. Die KALM-Retrospektive
Auch KALM unterscheidet sich inhaltlich wenig von bisher genannten Methoden:
- Keep: Was werden wir beibehalten?
- Add: Was werden wir Neues tun?
- Less: Was hat sich nicht bewährt?
- More: Wovon wollen wir mehr tun?
Nette Abwechslung: Es kann auch eine alternative Darstellung gewählt werden:
Welche Retrospektive-Methode ist die richtige?
Um ehrlich zu sein: Es spielt keine große Rolle. Die meisten dieser Methoden sind einander ähnlich und nutzen den gleichen Ansatz: Den Blick zurück („Was lief gut?“) und nach vorn („Was soll neu/anders/besser werden?“). Wichtig ist nicht in erster Linie die Wahl der „richtigen“ Methode, sondern die ernsthafte Durchführung von Retrospektiven an sich: Werden diese Auswertungen nur als Pflichtprogramm abgespult oder vom gesamten Team als Möglichkeit zur Verbesserung genutzt?
Wenn die Grundlagen gelegt wurden, kannst du mit verschiedenen Methoden experimentieren und schauen, welche sich speziell für dein Team und Projekt am besten eignet.
Wichtige Hinweise für Retrospektiven
Der vielleicht wichtigste Punkt bei der Durchführung von Retrospektiven: Nur wenn Maßnahmen abgeleitet und umgesetzt werden, ist die Zeit für eine Retrospektive gut investiert. Das gesamte Team muss den Prozess leben und muss gewillt sein, Optimierungspotenziale zu nutzen und sich ständig zu verbessern.
Wie sollten Retrospektiven nicht ablaufen? Finger Pointing und gegenseitige Schuldzuweisungen haben hier nichts zu suchen („Du hast schon wieder die Termine nicht eingehalten.“). Eine wünschenswerte Einstellung aller Teammitglieder: „Hey, lass uns zurückschauen, aus positiven und negativen Erkenntnissen lernen und uns ständig verbessern.“
Fazit
Unabhängig von Scrum oder nicht: Retrospektiven sind eine hervorragende Möglichkeit, über die Zusammenarbeit im Team zu reflektieren und mögliche Verbesserungen für die zukünftige Zusammenarbeit abzuleiten. Welche konkrete Methode gewählt wird, ist zweitrangig – wichtig ist der grundsätzliche Wunsch zur Verbesserung.
Fragen und Antworten
In einer Retrospektive wird in einem Meeting besprochen, wie die Zusammenarbeit verbessert werden kann. Dabei wird die inhaltliche Ebene verlassen und sich auf die Qualität der Arbeitsergebnisse fokussiert.
Sinnvoll für eine Retrospektive sind Whiteboards, Flipcharts, Karten und Stifte. Bei virtuellen Retrospektiven gibt es spezielle Anbieter dafür. Grundsätzlich sollte es dabei immer einen Moderator geben.
Das Ziel ist es, aus den Erfahrungen zu lernen, um Fehler künftig zu vermeiden. Man sieht sich also die Vergangenheit an und bewertet die Zusammenarbeit bis heute. Dabei fragst du grundsätzlich: Was lief gut? Was lief nicht gut?
Nicht zu kurz und nicht zu lang. Eine gute Retrospektive darf gerne zwischen 90 und 120 Minuten dauern. Bei kürzeren Zeiten besteht die Gefahr, zu oberflächlich zu bleiben, bei längerer Dauer könnten die Teilnehmer müde werden.
Neben den Klassikern wie Whiteboard, Flipcharts, Karten und Stifte solltest du für eine gute Atmosphäre sorgen. In diesem Meeting ist Platz für Humor und Lockerheit. Suche dir gerne vorab auch schon die richtige Methode für die Retrospektive aus.