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Artikel über den Dunning-Kruger-Effekt

Dunning-Kruger-Effekt: Wie du dein Selbstbewusstsein durch Inkompetenz stärkst

Auf den Punkt gebracht

Der Dunning-Kruger-Effekt ist eine kognitive Verzerrung, bei der Menschen mit geringen Fähigkeiten in einem Bereich diese Fähigkeiten überbewerten. Er tritt auf, weil wir nur schwer in der Lage sind, unser Wissen und unsere Kompetenz objektiv zu bewerten.

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Fragst du dich auch manchmal, warum offensichtlich inkompetente Menschen mit stolzgeschwellter Brust ihre Meinung lautstark vertreten, ohne zu reflektieren oder ihre Grenzen zu erkennen? Bevor du an solchen Kandidaten verzweifelst: Es gibt dafür einen spannenden psychologischen Effekt – den Dunning-Kruger-Effekt.

Dieser Artikel orientiert sich am hervorragenden Artikel Overconfident Idiots: Why Incompetence Breeds Certainty der empfehlenswerten Seite Thinking is Power.

Die Gesichte des Dunning-Kruger-Effekts

Spulen wir zurück ins Jahr 1995:

Beispiel:
An einem sonnigen Tag betrat ein Mann in Pittsburgh eine Bank, lächelte in die Überwachungskameras, und verlangte Bargeld. Ein paar Stunden später wiederholte er das Spiel. Unauffälligkeit war nicht seine Stärke: 1,80 Meter groß, 135 Kilogramm schwer – und ohne Maske vor dem Gesicht.
Wenig überraschend wurde der 45-jährige McArthur Wheeler noch am gleichen Abend geschnappt – und war fassungslos! Immer wieder wiederholte er folgenden Satz: „But I wore the juice.”

Seine Geschichte: Wie konnte er entdeckt werden, obwohl er doch Zitronensaft im Gesicht hatte? Die Polizisten vermuteten einen Einfluss von Drogen oder Alkohol, Wheeler war jedoch nüchtern – lag allerdings wirklich, wirklich falsch.

Offenbar hatte Wheeler gelernt, dass Zitronensaft als unsichtbare Tinte verwendet werden kann. Seine schlaue Idee: Das Gesicht mit Saft einreiben, sich damit unsichtbar machen und eine Bank ausrauben. Weil er nicht dumm war, testete er die Hypothese, trug Zitronensaft auf sein Gesicht auf und machte ein Selfie mit einer Polaroidkamera. Das zufällig leere Foto war für Ihn der Beweis: Seine Strategie für das perfekte Verbrechen funktionierte! Dass es andere technische Gründe geben könnte, zog er nicht in Erwägung.

Am Tag des Überfalls trug er so viel Zitronensaft auf sein Gesicht auf, dass es ihm in den Augen brannte und er kaum noch sehen konnte. Er marschierte mit unbedecktem Gesicht und einem Lächeln in die Bank, in der Gewissheit, dass ihn niemand sehen konnte.

Dunning und Kruger kommen ins Spiel

Kurz darauf wurden der Psychologieprofessor David Dunning und sein Doktorand Justin Kruger auf diesen Fall aufmerksam: Wie konnte Wheeler so sicher sein, dass ein Plan funktioniert?

Dunning und Kruger nutzten für ihre Untersuchungen die beliebteste Laborratte der Psychologie: Sie baten die Studenten, ihre Fähigkeiten in Logik und Grammatik im Vergleich zu anderen Studenten zu bewerten. Anschließend wurden diese Fähigkeiten durch Tests geprüft. Die Frage: Passt die Selbsteinschätzung zum tatsächlichen Leistungsvermögen?

Die Ergebnisse waren schockierend: Die Studenten, die am schlechtesten abschnitten, überschätzten ihre Fähigkeiten durchweg und erheblich. Interessanterweise fanden Dunning und Kruger auch das Gegenteil bei den Top-Performern – diese neigten jedoch dazu, ihre Fähigkeiten zu unterschätzen.

Basierend auf diesen Ergebnissen beschrieben sie den Dunning-Kruger-Effekt.

Was genau ist der Dunning-Kruger-Effekt?

Der Dunning-Kruger-Effekt ist eine kognitive Verzerrung, bei der Menschen mit geringen Fähigkeiten in einem Bereich diese Fähigkeiten überbewerten. Anders ausgedrückt:

  • Wer wenig kann bzw. weiß, schätzt sich besonders gut ein.
  • Weiß nichts, tritt aber mit diesem Wissen besonders selbstbewusst auf.
  • Oder, wie Dunning es ausdrückte: Wenn man inkompetent ist, kann man nicht erkennen, wie inkompetent man ist.

Warum ist das so? Offensichtlich benötigt man die gleichen Fähigkeiten und Kenntnisse sowohl zum kompetenten Bewältigen einer Aufgabe an sich, als auch zum Beurteilen der eigenen Kompetenz. Fehlen diese Fähigkeiten und Kenntnisse, führt das zu folgenden Effekten:

  • Wir sind blind für unsere eigene Unwissenheit.
  • Ohne wirkliches Wissen sind wir nicht in der Lage, unsere Fehler und Grenzen zu erkennen.
  • Besonders tückisch: Ein unwissender Kopf ist mit einer Illusion von Wissen vollgestopft, zum Beispiel mit irreführenden Erfahrungen, zufälligen Fakten und Intuitionen.
  • Wir sind auch nicht in der Lage, das Fachwissen anderer zu würdigen.
  • Es gelingt uns oft schlecht, Feedback zu integrieren oder uns zu verbessern.
  • Wir sind bereits sicher, dass wir alles wissen, warum sollten wir also auf jemand anderen hören?

Fällt dir auf, dass in den letzten Punkten oft das Wort „wir“ verwendet wird? Nicht ohne Grund: Wir sind nämlich (leider?) alle davon betroffen – mehr dazu später im Artikel. Schauen wir zunächst auf weitere typische Beispiele, die du sicher auch aus deinem Umfeld kennst.

Weitere Beispiele für den Dunning-Kruger-Effekt

Beginnen wir mit ein paar Studienergebnissen:

  • In einer Folgestudie auf einem Schießstand wurden Hobbyschützen zum Thema Sicherheit getestet. Diejenigen, die die niedrigsten Werte erzielten, überschätzten ihr Wissen erheblich, während diejenigen mit den höchsten Werten ihr Wissen unterschätzten.
  • Eine weitere Studie ergab, dass 80 % der Autofahrer sich selbst als überdurchschnittlich gut einschätzen.
  • Noch eine Studie: 94 % der Hochschulprofessoren schätzten sich ebenfalls als überdurchschnittlich gut ein. Tja … So funktioniert allerdings der Durchschnitt nicht, wir können nicht alle überdurchschnittlich gut sein!

Bestimmt kennst du den Dunning-Kruger-Effekt auch im wirklichen Leben – was sowohl unterhaltsam als auch unglaublich nervig sein kann:

  • Da gibt es den typischen schrulligen Onkel, der bei einer Familienfeier meint, dass er alles besser weiß als der Rest.
  • Oder was ist mit Teilnehmern in Casting-Shows, die nicht verstehen können, warum die Jury lacht?
  • Kommentatoren in sozialen Medien, die unsachlich und lauthals verkünden, dass ihr Standpunkt Tatsache ist und alle anderen dumm sind.
  • Der selbstbewusst prahlende Politiker, der mehr weiß als alle Experten.
  • Menschen, die ein paar YouTube-Videos gesehen haben und glauben, sie hätten Beweise für eine flache Erde gefunden.
  • Prominente, die ein paar Stunden auf Google verbracht haben und zu dem Schluss gekommen sind, dass sie mehr über Medizin und Pharmazie wissen als erfahrene Wissenschaftler.

All diese Menschen leiden unter dem Dunning-Kruger-Effekt und befinden sich genauer gesagt auf dem „Gipfel der Dummheit“.

Vom „Gipfel der Dummheit“ und dem „Tal der Verzweiflung“

Die folgende Grafik zeigt den Dunning-Kruger-Effekt schön anschaulich:

  • Der „Gipfel der Dummheit“ ist schnell erreicht: Wenig Wissen führt zum fatalen „Ich hab alles verstanden!“-Effekt. Dieser fühlt sich aber gut an – das Selbstvertrauen ist hoch und wir vertreten unsere Meinung mit breiter Brust. Wenig Wissen ist eine ziemlich gefährliche Sache. Fühlt sich aber oft sehr gut an.
  • Der Abstieg vom „Gipfel der Dummheit“ erfolgt nicht automatisch. Manche bleiben ein Leben lang dort oben. Aber hoffentlich lernen wir genug, um in das Tal der Verzweiflung hinabzusteigen.
  • Im „Tal der Verzweiflung“ ist es um das Selbstvertrauen leider nicht mehr so gut gestellt – wir erkennen nämlich die Lücken in unserem Wissen und unsere Begrenzungen. Es gibt ja noch so viel zu lernen! Es ist viel komplizierter als gedacht! Und ja … es gibt viele Menschen, die viiieel mehr wissen als wir.
  • Jetzt geht es ums Durchhalten: Wenn wir wirklich mehr wissen und lernen möchten, dann können wir den “Aufstieg zur Erkenntnis“ beginnen. Wir lernen dazu, stellen Zusammenhänge her und erkennen Nuancen. Wir bemerken vermutlich auch, dass wir vieles niemals wirklich sicher wissen werden. Trotzdem steigt unser Selbstvertrauen wieder – dieses Mal jedoch basierend auf Wissen und Erfahrung.

Wenn du den „Aufstieg zur Erkenntnis“ eine Weile fortführst, wirst du vermutlich recht frustriert zurückblicken: Du siehst diejenigen, die auf dem „Gipfel der Dummheit“ stehen und fragst dich: „Wie können die so selbstbewusst auftreten, obwohl sie so eindeutig falsch liegen?“

Beispiel:
Du erinnerst dich an unseren cleveren Bankräuber, McArthur Wheeler? Er war von seinem narrensicheren Plan überzeugt – der Zitronensaft würde ihn unsichtbar machen. Die Überwachungsvideos der Polizei hielt er für eine Fälschung. Er konnte seinen Irrtum einfach nicht glauben: „But I wore the juice.”
Übrigens: Offenbar erstreckte sich Wheelers Inkompetenz auch auf die Fotografie, denn als er die Kamera drehte, um ein Selfie zu machen, hatte er tatsächlich ein Foto von der Decke gemacht.

Wheeler befand sich klar auf dem „Gipfel der Dummheit“.

Wheelers Zuversicht beruhte also auf seiner Inkompetenz. Er war zu unwissend, um seine Fehler zu erkennen, und traf deshalb schlechte Entscheidungen. Kurz gesagt, er hatte sich selbst getäuscht.

Wir leiden alle darunter

Die Sache ist die: Wir sind alle selbstbewusste Idioten. Wir leiden alle unter diesem Effekt – auch wenn wir das oft nicht wahrhaben wollen. Wie sagte Dunning so schön:

„Die erste Regel des Dunning-Kruger-Clubs ist, dass man nicht weiß, dass man ein Mitglied des Dunning-Kruger-Clubs ist.“

David Dunning

Denke einen Moment lang an etwas, das du wirklich gut kannst oder worüber du viel weißt. Vielleicht kannst du Bogenschießen, Autos reparieren, Brot backen, die europäische Außenpolitik verstehen oder den Schwarzschild-Radius eines schwarzen Lochs berechnen – irgendetwas, wovon du eine Menge weißt. Überlege jetzt mal, was ein Durchschnittsmensch über deine Fachgebiete weiß. Vermutlich nicht viel, und einiges davon ist wahrscheinlich falsch. Die meisten wissen wahrscheinlich nicht einmal, wie viel es zu wissen gibt.

Stell dir nun vor, dass du in praktisch allen anderen Bereichen genauso unwissend bist wie diese Person, die von deinem Fachgebiet keine Ahnung oder sogar falsche Vorstellungen hat. Diese Einsicht ist nicht immer schön, lehrt uns aber alle etwas Demut: Vermutlich sind wir alle auf fast allen Gebieten dümmer als wir glauben.

Wie du es schaffst, kein selbstbewusster Idiot zu sein

Wenn wir also nicht wissen, was wir nicht wissen, was ist dann die Lösung?

Der Dunning-Kruger-Effekt tritt auf, weil wir nicht in der Lage sind, unser Wissen und unsere Kompetenz objektiv zu bewerten. Die Lösung ist nicht einfach (wie es der „Gipfel der Dummheit“ oft verspricht), sondern liegt in vielen Einzelstückchen:

  • Metakognition: Indem du dir deine Denkprozesse bewusst machst, kannst du dein Wissen und deine Fähigkeiten genauer und ehrlicher einschätzen.
  • Intellektuelle Bescheidenheit: Erkenne an, dass du falsch liegen könntest. Frage dich, woher du etwas weißt. Vielleicht noch wichtiger: Wie würdest du erkennen, dass du dich irrst? Behalte ehrlicherweise im Hinterkopf, dass du vielleicht nicht einmal genug weißt, um die Beweise beurteilen zu können.
  • Neugier: Sei neugierig auf das, was du nicht weißt. Suche aktiv nach deinen blinden Flecken. Bitte um Feedback von Experten und sei offen für deren Vorschläge.
  • Kritikfähigkeit:Wenn dir jemand sagt, dass du einen Fehler gemacht oder etwas übersehen hast – geh nicht in die Defensive. Höre zu und lerne.
  • Gewöhnen an Ungewissheit: Gewöhne dich an das Gefühl, im „Tal der Verzweiflung“ zu sein. Die meisten Probleme sind komplizierter, als wir denken. Um die Komplexität und die Nuancen zu verstehen, ist fundiertes Wissen und Erfahrung nötig.
  • Selbstvertrauen: Baue echtes Selbstvertrauen auf und lass dich im „Tal der Verzweiflung nicht unterkriegen.

Fazit

Die meisten von uns gehen selbstbewusst durch die Welt, weil wir glauben, etwas zu wissen. Unser Selbstbewusstsein basiert jedoch auf einer Illusion von Wissen. Wir wissen nicht, was wir nicht wissen – wir sind also selbstbewusste Idioten. Fühlt sich ja auch gut an: Wir haben immer recht und glauben, schlauer zu sein als alle anderen.

Dummerweise hält uns diese Selbstüberschätzung davon ab, wirkliches Wissen aufzubauen. Um Themen wirklich verstehen zu können, müssen wir zunächst einschätzen können, was wir wissen und wie wir denken. Auch wenn es manchmal weh tut: Um den „Anstieg der Erkenntnis“ zu bewältigen, müssen wir zunächst die Grenzen unseres Wissens erkennen.

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