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Artikel über das SCARF-Modell

Das SCARF-Modell: Wie du mit Erkenntnissen aus der Neurowissenschaft produktive Teams formst

Auf den Punkt gebracht

Das SCARF-Modell stammt aus der Neurowissenschaft und wurde 2008 von David Rock entwickelt. Es betrachtet 5 Faktoren, die Auswirkungen auf unser Verhalten haben: Status, Certainty, Autonomy, Relatedness und Fairness. Dieser Artikel beschreibt, welche Bedeutung SCARF besonders für Projektmanager hat.

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Kennst du auch solche oder ähnliche Situationen?

  • Du willst jemandem helfen, doch dieser reagiert ablehnend und gereizt.
  • Du hast eine gute Idee, erhältst jedoch nur negative Reaktionen als Antwort.
  • Ein Kunde reagiert aufgebracht auf eine Kleinigkeit und du fragst dich, was du falsch gemacht hast.

Tja … So einfach ist das nicht mit uns Menschen! Die Fragen „Warum reagiert Person X auf einmal so unerwartet und unlogisch? Und warum verstehe ich den anderen nicht?“ begleiten uns sowohl im Berufs- als auch im Privatleben.

Gute Nachrichten: Es gibt ein Modell, das bestimmte Reaktionen wissenschaftlich erklärt und dir somit ein praktisches Hilfsmittel für den Projektalltag in die Hand gibt: Das SCARF-Modell.

Was ist das SCARF-Modell?

Das SCARF-Modell wurde 2008 von David Rock (https://davidrock.net), Direktor des NeuroLeadership Instituts, entwickelt. Die Kernaussage: Unser Gehirn überwacht permanent fünf Faktoren, die einen enormen Einfluss auf unser Verhalten haben:

  1. Status: Wie wichtig sind wir im Vergleich zu anderen? Sind wir besser oder schlechter als andere?
  2. Certainty (Sicherheit, Gewissheit): Wie vorhersehbar ist unsere Zukunft?
  3. Autonomy (Autonomie): Wie stark können wir über unser Leben bestimmen?
  4. Relatedness (Zusammengehörigkeit): Wie stark fühlen wir uns in einer Gemeinschaft aufgenommen? Wie sicher fühlen wir uns mit anderen?
  5. Fairness: Wie gerecht fühlen wir uns im Vergleich zu anderen behandelt?

Jeder dieser fünf Faktoren aktiviert die gleichen Reaktionen im Gehirn, die für unser physisches Überleben nötig sind: Sobald wir eine negative Änderung in diesen so wichtigen Faktoren verspüren, werden instinktive Mechanismen ausgelöst: Vermeidung, Abwehr, Schutzbedürfnis. Je größer die empfundene Änderung, desto stärker die Reaktion. Auf diese Weise versucht das SCARF-Modell zu erklären, warum wir in sozialen Situationen oftmals „unlogisch“ oder „übertrieben“ reagieren.

Primitive Reaktionen: Bedrohung und Belohnung

So sehr wir glauben, wir würden alle Entscheidungen bewusst treffen: In uns allen steckt ein erheblicher Anteil Unbewusstes, den du bestimmt vom Eisbergmodell kennst. Ganz wie schon bei unseren Vorfahren vor tausenden von Jahren legt unser Hirn bei Bedrohungen den Schalter um und brüllt „Notfall!!“ Die dann folgenden instinktiven Reaktionen sollen unser Überleben sicherstellen:

  • Wir flüchten.
  • Wir greifen an.
  • Wir stellen uns tot.

Was bei der Flucht vor einem Säbelzahntiger sinnvoll war, ist im Arbeitsalltag wenig produktiv: Im Zustand der Bedrohung werden wir kaum klar denken, noch einen ruhigen Ton anschlagen und vertrauensvoll zusammenarbeiten. Stattdessen entstehen allzu oft „negative Schwingungen“, die zumeist keiner der Beteiligten genau benennen kann.

Die gute Nachricht: Es gibt auch positive Reaktionen und auch diese beschreibt das SCARF-Modell: Auch unser Belohnungszentrum kann ganz simpel aktiviert werden: Fühlen wir uns fair behandelt, fühlen uns wohl in der Gemeinschaft und haben das Gefühl, über uns selbst bestimmen zu können, dann ist die Basis für produktives Arbeiten gelegt.

Beispiele für die Anwendung des SCARF-Modells

Vielleicht hast du ähnliche Situationen auch schon in deinem Arbeitsalltag beobachtet:

  • Marc wird nicht zum Kick-off für das neue Projekt eingeladen, weil er mit dem aktuellen Projekt voll ausgelastet ist. Instinktiv fühlt er sich in den Faktoren Status und Relatedness bedroht. Forschungen zeigen, dass diese Reaktion ähnliche Bereiche im Hirn wie physischer Schmerz stimuliert – Marc fühlt sich in Gefahr und reagiert im nächsten Meeting (für alle anderen) übertrieben ablehnend.
  • Marie erhält regelmäßig Hinweise von ihrer Chefin, die sie beim Umgang mit dem neuen CMS unterstützen möchte. Sie fühlt sich in ihrer Autonomie bedroht und reagiert zunehmend gereizt.
  • Ein eingespieltes Projektteam soll erstmalig nach agilen Methoden arbeiten. Die Mitglieder empfinden eine intuitive Bedrohung im Bereich Certainty: Die Zukunft erscheint weniger vorhersehbar – das Team reagiert ablehnend.

Beispiele wie diese zeigen, wie auch gute Intentionen zu negativen Reaktionen führen können – und das führt auf beiden Seiten zu Frust. Selbst wenn eine Bedrohung nicht real ist, kann unser Abwehrmechanismus in Gang gesetzt werden: Allein das Gefühl, unfair behandelt worden zu sein, triggert Vermeidungsverhalten, das von Kollegen oft nicht verstanden wird („Was hab ich dem denn getan?“).

Anwendung des SCARF-Modells im Projektmanagement

Was also heißt das nun für dich im Projekt? In erster Linie erhältst du ein Werkzeug an die Hand, mit dem du knifflige Situationen und (scheinbar unlogisches) Verhalten deines Teams erklären kannst:

  • Halte inne.
  • Schaue unter die Wasseroberfläche: Analysiere Reaktionen und Verhaltensweisen.
  • Prüfe, ob sich jemand in einem oder mehreren der fünf Faktoren bedroht fühlt.

Hast du die Situation durchschaut, kannst du viel besser auf Teammitglieder zugehen und unterschwellige Konflikte frühzeitig adressieren.

Noch besser: Als Projektleiter kannst du vorbeugen und ein positives Arbeitsklima schaffen. Vermeide Verhaltensweisen, die Bedrohungsreaktionen auslösen. Erkläre Entscheidungen, kommuniziere offen und schaffe eine vertrauensvolle Atmosphäre. Die folgende Tabelle zeigt dir, was Bedrohungen und Belohnungen auslöst:

Souverän und selbstsicher als Führungskraft – aber wie?

Konflikte, Moderation, Motivation: Nicht jeder ist dazu geboren, Teams zu führen – doch jeder kann es lernen! Falls du deine Projekte stressfrei und erfolgreich managen möchtest oder eine Zertifizierung anstrebst: Die flexible ittp-Online-Ausbildung schafft den entscheidenden Vorteil für deinen nächsten Karriereschritt. In fokussierten Micro-Learning-Modulen erhältst du alle Werkzeuge, um produktive Teams zu führen und herausragende Projektergebnisse zu erzielen – zufriedene Kunden inklusive.

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Was Bedrohungen und Belohnungen auslöst

Gefühl der BedrohungGefühl der Belohnung
Status „Brauchst du Hilfe?“-Frage
Jährliches Mitarbeitergespräch
Gefühl, außen vor zu bleiben
Wertschätzung der erledigten Arbeit
Öffentliches Lob
Erlaubnis, die eigene Arbeit bewerten zu dürfen
Certainty Ankündigung von Veränderungen
Erwartungen der anderen nicht kennen
Visionen, Strategien und Pläne
Implizite Erwartungen deutlich formulieren
Autonomy Gefühl, Stresssituationen nicht ausweichen zu können
Druck, den Normen des Teams entsprechen zu müssen
Die Wahl zwischen Optionen haben
Individuelle Entscheidungen
Relatedness Unbekannte treffen
Das Gefühl, ausgeschlossen zu sein
Händeschütteln, Namen austauschen, gemeinsame Themen diskutieren
Aufrichtiges Interesse zeigen, aktives Zuhören
Fairness Gefühl der Diskriminierung Transparent kommunizieren
Gruppen eigene Regeln aufstellen lassen
Menschen unterstützen, Situationen aus anderen Perspektiven zu sehen

Aus: The Fear-free Organization: Vital Insights from Neuroscience to Transform Your Business Culture 

Wichtig: Wie immer reagieren alle Menschen individuell. Was dich kalt lässt, kann bei dem anderen eine hitzige Bedrohungsreaktion auslösen – ebenso wie Lob unterschiedlich starke Belohnungseffekte bewirken kann.

Achtung: Das Modell kann auch dir selbst helfen, deine eigenen Gefühle und Reaktionen besser zu verstehen. Lasse dich selbst bei der Betrachtung nicht aussen vor. Verfalle nicht in den Irrglauben, du hättest eine Sonderrolle und wärst nicht von deinen Instinkten beeinflusst.

Fazit

Das SCARF-Modell hilft dir dabei, empfundene Bedrohungen zu vermeiden und positive Belohnungsreaktionen im Team zu fördern. Sobald du die fünf Faktoren verinnerlicht hast, kannst du Situationen im Projekt besser bewerten und Konflikte leichter auflösen.

Sobald sich Menschen bedroht fühlen, werden Probleme langsamer gelöst, arbeiten sie schlechter zusammen und kommunizieren unsachlicher. Im Gegenzug arbeiten wir produktiv, fühlen uns selbstbewusst und wollen eine gute Leistung abliefern, sobald unser Belohnungssystem aktiviert wird.

Der letzte Satz klingt gut? Finden wir auch! Denn ein produktive arbeitendes Team bringt dich deinem Projektziel einen gehörigen Schritt näher: Dem erfolgreichen Abschluss deines Projekts!

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