Auf einen Blick
Der McKinsey-Report von 2017 zeigt, dass der Erfolg großer Projekte stark von Führung, Kultur und Denkweisen abhängt, nicht nur von Prozessen und Systemen. Diese Erkenntnisse sind auch für kleinere Projekte wertvoll, da sie betonen, wie wichtig strategisches Denken, Verantwortung und partnerschaftliche Zusammenarbeit sind. Projekte sollten wie Unternehmen geführt werden, um erfolgreich zu sein.
Stell dir mal so richtig, richtig große Projekte vor, zum Beispiel die Erschließung eines neuen Erdölfelds oder riesige Infrastrukturprojekte. Oft stellt sich hier eine einfache Frage: Warum bleiben so viele Großprojekte hinter den Erwartungen zurück, obwohl es weltweit so viele Erfahrungen, Lernprozesse, Diskussionen und Analysen gibt? Sollten wir es nicht eigentlich besser wissen?
Um diese Fragen zu beantworten, hat McKinsey im Jahr 2017 einen Report veröffentlicht, in dem vorhandene Literatur recherchiert und ausführliche Interviews mit 27 Fachleuten für Großprojekte geführt wurden, die zusammen über 500 Jahre Erfahrung in der Projektdurchführung haben.
Das Ergebnis: Bei vielen Analysen wurde ein entscheidendes Element für die erfolgreiche Durchführung von Großprojekten vernachlässigt, nämlich die „weichen“ Faktoren wie Führung, Organisationskultur, Denkweisen, Einstellungen und Verhaltensweisen der Beteiligten – im Report als „Die Kunst des Projektmanagements“ bezeichnet – im Gegensatz zu den „harten“ Standards, Systemen und Prozessen.
In dieser Artikelserie gehen wir auf wichtige Erkenntnisse dieses Reports ein: auf 4 wichtige Mindset-Lektionen, 8 Best Practices und 12 Todsünden. Du befindest dich in Teil 1 der Artikelserie – und hier dreht sich alles um das richtige Mindset.
Hintergrund:
Der McKinsey-Report The art of project leadership: Delivering the world’s largest projects aus dem Jahr 2017 konzentriert sich auf die Bedeutung von Führungskompetenzen und organisatorischen Fähigkeiten bei der erfolgreichen Durchführung von extrem großen und komplexen Projekten. Diese Projekte haben oft Budgets von mehr als 5 Milliarden Dollar und benötigen mehr als fünf Jahre für Design, Planung und Bau.
Wenn du nun eher Projekte mit kleinen Teams oder mittelgroßem Budget leitest, werden dir diese Zahlen unheimlich weit weg vorkommen. Umso schöner ist es, dass wir besonders von diesen riesigen Projekten eine Menge lernen können.
Legen wir los!
Führe ein Unternehmen, nicht nur ein Projekt
Ein Ultra-Großprojekt ist eher etwas wie der Aufbau eines Unternehmens, statt „nur“ ein Projekt. Es erfordert Führungsqualitäten und Entscheidungsvermögen auf CEO-Ebene, um die gesamte breite Palette der organisatorischen Themen zu meistern.
„Bei der Auswahl eines CEOs gehen wir wesentlich selektiver vor als bei der Besetzung einer Projektmanager-Position. Projektdirektoren steigen in der Regel innerhalb des Projektmanagements auf und erwerben dabei nicht unbedingt die Eigenschaften, die für einen CEO notwendig sind.
TG Jayanth, The art of project leadership
Du fühlst dich nicht abgeholt, weil deine Projekte bei weitem nicht diese Größenordnung erreichen? Trotzdem sind diese Erkenntnisse auch für dich relevant: Auch bei kleinen und mittelgroßen Projekten ist ein umfassender Management- und Führungsansatz notwendig, der über das reine Planen und Verwalten eines Projekts hinausgeht:
- Ein Projektmanager sollte einen ganzheitlichen Blick auf das Projekt haben, ähnlich wie ein CEO auf sein Unternehmen.
- Wie ein CEO sollten Projektmanager in der Lage sein, strategisch zu denken und langfristige Ziele zu setzen. Dies kann bedeuten, über den Tellerrand hinauszuschauen und zukünftige Herausforderungen oder Chancen frühzeitig zu erkennen.
Oftmals werden Projekte auch als „Unternehmen auf Zeit“ bezeichnet – und diese Formulierung passt sehr gut. Schließlich muss ein Projekt wie ein Unternehmen finanziert und mit Weitsicht und zielgerichtet geführt werden.
Übernehme die volle Verantwortung für die Ergebnisse
Dieser Mindset-Tipp bezieht sich im McKinsey-Report speziell auf den Project Owner, der als Leiter der Business Unit die geschäftliche Verantwortung für die erfolgreiche Projektdurchführung trägt. Genau hier liegt der wichtige Punkt: der Übernahme von Verantwortung. Ein Project Owner sollte sich immer bewusst sein, dass er oder sie jederzeit bereit sein muss, schwierige Entscheidungen zu treffen.
Einige Tipps aus dem Report können wir auf die Arbeit von Projektmanagern übertragen:
- Den Projektumfang klar definieren: Trotz dieser goldenen Regel des Projektmanagements ist es für viele Interviewpartner im Report überraschend, wie viele Auftraggeber nicht genau wissen, was sie eigentlich wollen.
- Ausreichend informiert sein: Informiere den Auftragnehmer oder Project Owner kontinuierlich und detailliert über den Projektstatus, damit er oder sie rechtzeitig erkennen kann, wann ein Eingreifen erforderlich ist.
- Auf Reviews bei Rückschlägen verzichten: Zwar werden Reviews oft mit guten Absichten durchgeführt, erweisen sich aber in der Praxis selten als wertvoll – vor allem, wenn sie wie häufig genau dann stattfinden, wenn das Projekt sie gerade am wenigsten bewältigen kann. Außerdem lenken sie oft einen großen Teil der Organisation von den eigentlichen Aufgaben ab.
Mach deine Auftragnehmer erfolgreich
Hier musst du je nach deinem Projekt-Setup vermutlich etwas umdenken – schließlich beauftragt nicht jeder Projektmanager große Subunternehmen. Trotzdem arbeiten auch viele kleine und mittelgroße Projekte mit externen Beteiligten zusammen, beispielsweise externen Beratern, Dienstleistern oder anderen Abteilungen bzw. Geschäftsbereichen. Die Tipps aus dem Report lassen sich auch auf solche Konstellationen übertragen:
- Auftragnehmer als Geschäftspartner und nicht als Lieferanten betrachten: Um Projekte erfolgreich zu meistern, ist eine partnerschaftliche Zusammenarbeit zwischen Auftraggeber und -nehmer notwendig. Je komplexer das Projekt, desto weniger können Verträge alle Eventualitäten abdecken. Siehst du deine Auftragnehmer als Geschäftspartner, bist du eher bereit, gemeinsam Lösungen zu finden.
- Auf Problemlösung statt die Schuldzuweisungen konzentrieren: Probleme sind generell unvermeidlich, stellen aber auch „Momente der Wahrheit“ in der Beziehung mit dem Auftragnehmer dar. Hier hast du die Wahl: Stärkst du diese Beziehung, oder tendierst du eher zu Schuldzuweisungen? Idealerweise stellt ihr euch gemeinsam die Frage „Wie können wir dieses Problem gemeinsam effektiv lösen, um den Schaden zu minimieren?“ anstatt „Wer ist schuld?“
Der wichtigste Punkt ist also: Auftraggeber und Auftragnehmer arbeiten am besten in einer Geschäftspartnerschaft mit der Einstellung „wir gewinnen oder verlieren gemeinsam“.
„Es ist ein Langstreckenrennen – man kann sein Pferd nicht totprügeln. Ich sehe es viel zu oft, dass Leute sagen: ‚Das Problem ist der Dienstleister. Stattdessen braucht man eine unterstützende Denkweise – man befindet sich in einer langfristigen Beziehung.“
Richard Henfield, The art of project leadership
Vertraue den Prozessen, aber lege Wert auf Leadership
Ganz klar: Robuste Prozesse allein lösen nicht jede Herausforderung. Trotzdem sollten Führungskräfte den definierten Prozessen vertrauen und diese durchsetzen – sich aber auch ihrer Vorteile und Grenzen bewusst sein.
Wichtig:
Die Interviewpartner im Report verantworten oft riesige Infrastruktur- und Bauprojekte, die nach mit traditionellem Projektmanagement und klaren Prozessen (z. B. Stage Gate) abgewickelt werden. Es kann sein, dass nicht alle Tipps auch auf deine Projektpraxis übertragbar sind – interessant sind sie trotzdem.
Schau mal, wie du die Tipps aus dem Report für deine Projekte nutzen kannst:
- Auf den Stage-Gate-Prozess vertrauen und ihn konsequent durchsetzen: Die konsequente Anwendung des Stage-Gate-Prozesses verhindert, dass sich Probleme verschärfen. Besonders wichtig: Eine klare Definition des Projektumfangs vor Beginn der Ausführung („Freeze“). Für nachträgliche Änderungen sollten die Hürden sehr hoch gesetzt werden.
- Auf eine gründliche Vorplanung („Frond End Loading“) setzen, aber auch deren Grenzen kennen: Eine effektive Vorplanung inklusive Ausführungsplanung und Risikomanagement ist laut Report entscheidend für den Projekterfolg, und diese Vorarbeit sollte auf der Grundlage von soliden belastbaren Daten erfolgen. Selbst kleine Planungsfehler und Versäumnisse zu Beginn führen später zu kostspieligen Korrekturen. Je weiter das Projekt fortgeschritten ist, desto schwieriger wird es einen wesentlichen Einfluss auf das Endergebnis zu nehmen.
- Auf bewährte Prozesse und Systeme setzen und sicherstellen, dass die Mitarbeiter sie beherrschen: Die Erfahrung zeigt, dass zwar die meisten Unternehmen Projektmanagement-Prozesse definiert haben, diese jedoch häufig nicht effektiv genutzt werden. Die Gründe: unzureichende Ressourcenplanung, mangelndes Schnittstellenmanagement, Unklarheiten beim Projektteam hinsichtlich der Umsetzung, falsch ausgerichtete Anreizsysteme und Verwirrung hinsichtlich der Abfolge von Aktivitäten und der Rollen der Teammitglieder.
- Abweichungen vom Prozess ermöglichen, aber dafür hohe Hürden ansetzen: Bei der Komplexität großer Projekte entstehen unweigerlich Situationen, in denen die strikte Einhaltung des Prozesses den Gesamtfortschritt behindern kann. Was ist beispielsweise zu tun, wenn alle Module bis auf eines die Freigabe am Stage-Gate erhalten haben? Soll das Projekt weitergehen oder warten? Die richtige Entscheidung hängt davon ab, wie kritisch das Modul, wie schwerwiegend die Verzögerung und wie groß das Gesamtrisiko einer Abweichung vom Prozess ist.
„Wir wollen, dass Projektmanager die Prozessgrundsätze verstehen und nicht blind befolgen.“
Mikhail Tretyak, The art of project leadership
Fazit
Was lernen wir daraus? Der Erfolg ultra-großer Projekte hängt stark von „weichen“ Faktoren ab, die oft vernachlässigt werden. Der McKinsey-Report betont die Bedeutung von Führung, Kultur und Denkweisen für die Projektdurchführung. Auch wenn deine eigenen Projekte deutlich kleiner sind, können die Erkenntnisse über strategisches Denken, Verantwortung, Zusammenarbeit und Vertrauen in Prozesse wertvolle Impulse liefern. Es gilt, Projekte wie ein Unternehmen zu führen, Verantwortung zu übernehmen, partnerschaftlich mit Auftragnehmern zusammenzuarbeiten und auf bewährte Prozesse zu vertrauen, um erfolgreich zu sein.