Was ist die häufigste Antwort auf die Frage, wie weit einer deiner Mitarbeiter mit einer Aufgabe ist? Oder andersherum: Was antwortest du am häufigsten auf die Frage, wie weit du bist? Wenn deine Projekte halbwegs dem Durchschnitt entsprechen, wird sehr oft folgende Antwort fallen:
„Fast fertig!“
Vermutlich hat dich die Erfahrung gelehrt, dass diese Aussage deutlich positiver klingt, als sie tatsächlich ist. Denn die Betonung liegt eben nicht auf „fertig“, sondern auf „fast“.
Das 90%-Syndrom
Für die „Fast fertig“-Antwort gibt es einen feststehenden Begriff: das 90%-Syndrom.
Das bedeutet: Der Fortschritt eines Arbeitspakets oder Projekts wird viel zu hoch eingeschätzt. Daraus folgt ein noch verbleibender Aufwand, der deutlich höher ausfällt, als die scheinbar noch nötigen 10 Prozent. Wenn du in einer Woche beim gleichen Mitarbeiter wieder nachfragst, wird der geschätzte Fortschritt vermutlich noch immer bei genau 90 % liegen: Alle arbeiten weiter, aber es geht nicht mehr voran.
Diese ominösen 90 % werden erfahrungsgemäß sehr früh erreicht, während die restlichen 10 % unerwartet teuer und zeitaufwändig werden.
Gründe für das 90%-Syndrom
Die „Fast fertig“-Antwort ist eine wirklich menschliche Sache und kann einfach begründet werden:
Sobald ein gewisser Fortschritt erreicht wurde, sagen wir 50 %, ist der Lösungsweg üblicherweise bekannt. Das vermittelt Sicherheit und das gute Gefühl, die Aufgabe nur noch abarbeiten zu müssen. Mögliche Probleme oder Schwierigkeiten sind jedoch noch nicht bekannt und werden daher nicht einkalkuliert.
Dazu kommt, dass Menschen gern gut dastehen wollen – wenn auch oft unbewusst. Sobald sie selbst das Gefühl haben, eine Aufgabe meistern zu können, wird der Fortschritt üblicherweise viel zu hoch eingeschätzt. „Fast fertig“ klingt ja auch viel besser als „gerade angefangen“, oder?
Auswirkungen des 90%-Syndroms
Dass diese Art der Fortschrittsmessung Probleme nach sich zieht, ist offensichtlich:
- Die Glaubwürdigkeit leidet, wenn fehlerhafte Angaben weitergegeben werden und andere Beteiligte sich auf diese verlassen.
- Andere Arbeitspakete, die in den Startlöchern stehen, verzögern sich, da sie sich auf die Angaben verlassen haben.
- Die verbleibenden 10 % schaffen eine trügerische Sicherheit, die dazu führt, weitere Aufgaben oder Projekte zu beginnen, da ja „nicht mehr viel zu tun ist“. Als Konsequenz gibt es verschieden angefangene Aufgaben, die nie fertig werden.
- Passt man nicht auf, werden Mitarbeitern immer mehr Aufgaben zugewiesen, da die 90%-Aufgaben beinahe fertig sind. Das führt zu einer Überlastung und Unzufriedenheit.
Das kannst du dagegen tun
Vermutlich wird es dir nicht gelingen, das 90%-Syndrom vollständig aus deinen Projekten zu verbannen. Das ist auch nicht schlimm, solange du dir dieses Effekts bewusst bist.
Folgende Möglichkeiten können dir dabei helfen, nicht völlig unrealistischen Angaben aufzusitzen:
1. Hinterfrage die Antwort
Sobald die Worte „fast fertig“ oder „90 Prozent“ fallen, sollten die Alarmglocken zu schrillen beginnen. Die Wahrscheinlichkeit ist hoch, dass
a) dein Mitarbeiter die Antwort nur halbherzig gibt und nicht wirklich darüber nachgedacht oder
b) es sich bei dem Mitarbeiter um jemanden handelt, der seine Fortschritte tatsächlich zu hoch einschätzt und
c) dass du nie im Leben mit einer Fertigstellung der Aufgabe nach den verbliebenen 10 Prozent rechnen kannst.
Werde hellhörig, frage nach und schau dir den Fortschritt der Aufgabe genauer an. Das klingt etwas vage? Ist es auch. Gründlicher gehst du mit dem folgenden Punkt vor:
2. Analysiere den Stand
Der nächste Ansatz, um das 90%-Syndrom zu überlisten: Statt nur zu hinterfragen, kannst du den Inhalt des Projekts oder Arbeitspakets genauer analysieren:
Liste die bereits erledigten Unteraufgaben auf und stelle sie den noch offenen Punkten gegenüber. Oft ergibt sich allein dadurch ein Aha-Effekt, wenn die Liste der verbliebenen Tasks überraschend lang ist.
Noch strukturierter gehst du mit dem nächsten Ansatz vor:
3. Definiere Fortschrittsgrade
Wenn etwas zu vage ist, musst du es messen. Der Vorteil: Du kannst wesentlich genauer bestimmen, ob eine Aufgabe schon zu 90 oder vielleicht doch eher zu 60 Prozent abgeschlossen ist. Der Nachteil: Diese Methode ist aufwändiger, da Messkriterien definiert und die bisherigen Fortschritte eingeordnet werden müssen.
Bei Aufgaben mit klaren Mengen- oder Zeiteinheiten geht das sehr leicht:
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Bei weniger klar messbaren Paketen müssen eigene Kriterien gewählt werden. Das folgende Beispiel bezieht sich auf die Erstellung eines Marketing-Konzepts:
- 25 % Fortschritt nach Durchführung einer Ist-Analyse
- 50 % Fortschritt nach Durchführung einer Wettbewerbsanalyse
- 75 % Fortschritt nach Erarbeitung von strategischen Maßnahmen
- 100 % Fortschritt nach Erstellung des Konzepts und Präsentation vor dem Team
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Fazit
Niemand ist vor dem 90%-Syndrom gefeit – erst recht nicht im Projektmanagement. Es liegt in der Natur des Menschen, die Fortschritte als zu hoch anzusehen. Sei dir dieses Syndroms bewusst, definiere Fortschrittsgrade und hinterfrage den Fortschritt immer, wenn du unsicher bist. Denn: Der Teufel steckt im Detail!