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Artikel zum Fördern psychologischer Sicherheit

Psychologische Sicherheit fördern: Die wichtigsten Schlüsselprinzipien am Beispiel erklärt

Auf einen Blick

Psychologische Sicherheit beschreibt ein Umfeld, in dem sich Menschen sicher fühlen, ihre Meinungen, Ideen und Bedenken ohne Angst vor negativen Konsequenzen oder sozialer Zurückweisung äußern zu können. Zum Fördern psychologischer Sicherheit schlägt Amy Edmondson einen Werkzeugkasten mit drei Säulen vor: den richtigen Rahmen setzen, zum Engagement einladen und produktiv reagieren.

Stell dir vor, in deinem Team herrscht eine Atmosphäre von gegenseitiger Wertschätzung, alle sagen gern offen ihre Meinung, probieren gern Neues aus und haben keine Sorge als inkompetent zu gelten – das klingt gut, oder? Vermutlich empfinden dann alle im Team ein hohes Maß an sogenannter psychologischer Sicherheit. In diesem Artikel erfährst du, wie du diese fördern kannst.

Was ist Psychologische Sicherheit?

Laut Amy Edmondson ist die psychologische Sicherheit von Teams:

„ … eine gemeinsame Überzeugung der Teammitglieder, dass das Team sicher genug ist, um zwischenmenschliche Risiken einzugehen.“

Amy Edmondson

Übrigens: In diesem Artikel findest du alle grundlegenden Informationen zur psychologischen Sicherheit. Dieses wichtige Thema ist laut der Google-Studie Aristotle der wichtigste Erfolgsfaktor für High-Performance-Teams.

Selbsttest Psychologische Sicherheit

Wie sieht es in deinem Team aus? Mit diesem kurzen Selbsttest findest du heraus, wie sicher du dich in deinem Team fühlst.

Psychologische Sicherheit fördern

Alles klar: Psychologische Sicherheit ist also wichtig und fördert die Leistung in Teams – aber wie kannst du sie fördern? Amy Edmondson stellt dafür einen Werkzeugkasten zur Verfügung, an dem du dich orientieren kannst:

Psychologische Sicherheit fördern

Angelehnt an Die angstfreie Organisation, Amy Edmondson 

1. Den Rahmen vorgeben

Motto:
„Gib deinem Team einen Rahmen vor, in dem jeder Sinn und Zweck der gemeinsamen Arbeit kennt und weiß, welche Erwartungshaltungen es gibt.“

Die erste Säule im Werkzeugkasten: der geeignete Rahmen. Dieser besteht aus zwei Teilbereichen:

  • Sinn und Zweck: Warum tun wir das, was wir tun? Für wen tun wir das? Was steht auf dem Spiel? Oft spielen Begriffe wie Vision und Mission eine große Rolle.
  • Erwartungshaltung: Wie komplex und ungewiss ist unsere Arbeit – und wie gehen wir damit um? Wie hoch sind die Ansprüche an Fehlerfreiheit – oder ist ein Experimentieren und Scheitern ausdrücklich erlaubt?

Je nach Umfeld kann insbesondere die Erwartungshaltung sehr unterschiedlich formuliert werden:

Beispiel 1:
In der Endkontrolle der Produktion von Sensoren an Flugzeugen müssen die Mitarbeiter winzige Abweichungen erkennen, bevor die Produkte das Unternehmen verlassen. Es stehen sowohl die Sicherheit von Fluggästen als auch das Ansehen des Arbeitgebers auf dem Spiel, falls hier etwas schiefläuft. Eine Führungskraft schafft hier psychologische Sicherheit, indem sie auf die Notwendigkeit zur Präzision hinweist und robuste Prozesse schafft.

Beispiel 2:
In der Forschungsabteilung eines Technologiekonzerns soll ein innovativer Energiespeicher entwickelt werden. Hier wird ein komplett anderer Rahmen definiert: Es ist okay, mit neuen Ideen zu scheitern, es darf ausdrücklich experimentiert werden und niemand muss alle Antworten kennen. Aufgabe der Führungskraft hier: Verdeutlichen, dass es sich um ein komplexes Thema handelt und Misserfolge völlig normal sind. Falls sich Mitarbeiter nicht ausreichend psychologisch sicher fühlen, werden sie automatisch versuchen, ein Scheitern zu vermeiden und daher weniger neue Ansätze ausprobieren.

Negativbeispiel
In einer Marketingagentur wird eine neue Kampagne zur Vermarktung nachhaltiger Deodorants entwickelt. Der Teamleiter verlangt gute Ideen und Präsentationen vor dem Kunden, weist die Mitarbeiter zurecht, wenn sie aus seiner Sicht unsinnige Vorschläge machen. Viele Mitarbeiter melden sich mittlerweile ungern zu Wort. Die Sorge: Sie werden bei Fehlern als inkompetent abgestempelt und müssen die Konsequenzen tragen. Die psychologische Sicherheit ist nicht gegeben: Einerseits werden neue Ideen verlangt, andererseits sind Misserfolge nicht erwünscht – der klare Rahmen fehlt!

2. Engagement fördern

Motto: „Ich schaffe die Voraussetzungen, dass sich alle gern aktiv an Entscheidungen beteiligen, statt auf Nummer sicher zu gehen und sich nicht zu äußern.“

Alle im Team machen, was du sagst? Das kann ein gutes Zeichen sein – aber eben auch ein schlechtes. Schweigen ist nicht zwangsläufig Zustimmung, und womöglich fühlen sich deine Mitarbeiter nicht ausreichend sicher, um sich zu Wort zu melden.

Was kannst du tun, um diesen Zustand zu ändern? Orientiere dich an diesen drei Best Practices:

  • Situative Bescheidenheit demonstrieren: Du kannst alles und weißt alles und bist von deinen Fähigkeiten auf allen Gebieten restlos überzeugt? Dann machst du es deinem Team womöglich schwer, eigene Ideen zu äußern. Wer tut das schon gern, wenn der Vorgesetzte ohnehin schon alles (besser) weiß oder zu wissen glaubt? Situative Bescheidenheit handelt davon, eigene Wissenslücken anzuerkennen, ständig lernen zu wollen und anzuerkennen, dass es viele Ungewissheiten gibt. Wichtig: Trotzdem kannst du selbstbewusst durchs Leben gehen und sollst keine falsche Bescheidenheit zeigen – doch mit Sicherheit gibt es Situationen, in denen ein „Ich weiß es nicht“ die ehrliche Antwort ist.
  • Nachfragen üben: Einfach, aber effektiv – frage aktiv nach! Nutze passende Fragetechniken, aktives Zuhören und lasse dich bewusst auf Gespräche ein. Dein Gegenüber wird sich eher auf ein Gespräch einlassen, wenn du ebenfalls komplett präsent bist.
  • Strukturen und Prozesse einrichten: Etabliere Prozesse und Strukturen, die zum Engagement einladen, beispielsweise Spielregeln für Diskussionen, Ideen-Boards oder Einzelgespräche – hier sind der Fantasie keine Grenzen gesetzt.

Beispiel
Tanja ist bei allen als die „Eiserne Lady“ bekannt. Mit unerschütterlichem Selbstvertrauen äußert sie jederzeit ihre Meinung und strahlt eine Unfehlbarkeit aus, die andere schnell einschüchtert. Ihre Einstellung: „Wenn jemand eine Idee hat, soll er sie mir einfach vorlegen – Punkt.“ Einige ihrer Mitarbeiter kommen mit dieser Ansage gut klar, andere jedoch werden immer stiller – sie fühlen sich schlichtweg psychologisch nicht sicher.

3. Effektiv reagieren

Motto: „Egal, was passiert: Ich reagiere so angemessen auf Ereignisse und Verhalten, dass sich mein Team sicher und wertgeschätzt fühlt.“

Die dritte Säule im Werkzeugkasten zum Fördern der psychologischen Sicherheit! Insbesondere in unserer schnellen und unvorhergesehenen VUCA-Welt gilt es, angemessen und produktiv auf Ereignisse und Verhalten im Team zu reagieren – insbesondere bei negativen Ereignissen:

  • Wertschätzung ausdrücken: Eigentlich sollte es selbstverständlich sein, sich bei anderen zu bedanken, zuzuhören und Leistungen anzuerkennen. Das können kleine Dinge sein („Danke für deine Meinung!“) oder aber auch großzügige Belohnungen für besondere Leistungen („Du hast so viel gearbeitet, mach doch einfach mal den Rest des Tages frei!“). Wichtig: Untersuchungen haben ergeben, dass die Wertschätzung von Anstrengung statt Ergebnissen eher dazu einlädt, neue Dinge auszuprobieren und trotz Misserfolgen weiterzumachen.
  • Scheitern entstigmatisieren: Schaut gemeinsam nach vorn, biete Hilfe an und überlegt, was ihr aus Misserfolgen lernen könnt. Besonders in dynamischen Umgebungen gibt es oft kein echtes Scheitern, sondern lediglich Anlässe zum Lernen für den nächsten Schritt. Eine klare Mondset-Frage!
  • Klare Verstöße sanktionieren: Was ist, wenn sich (womöglich wiederholt) über Grenzen hinweggesetzt oder vermeidbare Fehler gemacht werden? Das Konzept der psychologischen Sicherheit hat nicht den Anspruch, eine ständige Komfortzone und Wohlfühlatmosphäre zu schaffen. Eine angemessene Strafe kann eine starke Botschaft aussenden, wenn die Grenzen im Voraus klar waren – hier sind wir wieder beim klaren Rahmen.

Beispiel:
Thomas hat eine aufwändige Extra-Schicht eingelegt, um das Angebot für einen potenziell wichtigen Kunden zu erstellen. Dabei hat er einen neuen Weg der Präsentation gewählt: Er stellt den eigenen Arbeitgeber bewusst locker und modern dar, um beim jungen Start-up-Kunden zu punkten. Trotz aller Bemühungen entscheidet sich der potenzielle Kunde jedoch für einen anderen Anbieter. Thomas’ Chef lobt ihn für seine Bemühungen und sein Engagement. Gemeinsam im Team wollen alle noch einmal darüber reflektieren, ob sie zukünftig anders an die Sache herangehen würden. Durch die Wertschätzung der Bemühungen und die „Scheitern ist okay, wir haben es versucht“-Einstellung, fühlt sich das Team psychologisch sicher.

Wichtig:
Beim Fördern psychologischer Sicherheit geht es nicht darum, Fehler schönzureden oder alle Misserfolge zu feiern. Eine Differenzierung ist hier wichtig: Handelt es sich um vermeidbare Fehler, die durch Nachlässigkeit und oder durch mutwilliges Verletzen der Spielregeln und des klaren Rahmens passiert sind? Dann ist ein „Danke für deine Bemühungen“ kaum angebracht, stattdessen sollten als Prävention Prozesse und Schulungen eingesetzt werden.
Treten Misserfolge jedoch aufgrund von bewusst eingegangenen Risiken ein, dann ist das oft schlichtweg Ausdruck einer komplexen Umgebung, in der die Ergebnisse nicht vorhersehbar sind. Besonders dann, wenn Innovationen gewünscht und gewollt sind, sollten Mitarbeiter bewusst ermutigt werden, kalkulierte Risiken einzugehen.

Maßnahmen zum Fördern der psychologischen Sicherheit in Teams

Weitere Maßnahmen zum Fördern psychologischer Sicherheit

  • Schaffe ein unterstützendes Umfeld: Betone Wertschätzung und Respekt gegenüber allen Teammitgliedern und ermögliche offene Kommunikation und konstruktives Feedback.
  • Etabliere eine gesunde Fehlerkultur: Manche Fehler müssen gemacht werden und sind Teil eines Lernprozesses – hier kannst du auf Akzeptanz achten. Schaffe Möglichkeiten, um aus Fehlern zu lernen und Verbesserungen voranzutreiben.
  • Emotionale Unterstützung bieten: Zeige Empathie und Mitgefühl, entwickle Sensibilität gegenüber den Bedürfnissen der Teammitglieder und schaffe einen Raum, in dem sich alle sicher fühlen, ihre Gedanken und Gefühle zu äußern
  • Fördere eine offene Diskussion: Wertschätze auch andere Meinungen, beziehe dein Team aktiv in Entscheidungsprozesse ein und schaffe eine Atmosphäre, in der unterschiedliche Perspektiven willkommen sind.
  • Stärkung des Selbstvertrauens der Teammitglieder: Erkenne Engagement an, lobe und wertschätze individuelle Leistungen regelmäßig und ermutige zum Teilen von Ideen, ohne Angst vor Kritik oder Ablehnung.
  • Biete Weiterbildung zur Entwicklung sozialer Kompetenz an: Von Schulungen zur Verbesserung der Kommunikations- und Konfliktlösungsfähigkeiten sowie zur Förderung von Empathie und emotionaler Intelligenz profitieren alle.
  • Führungskräfte als Vorbilder: Fördere das Vertrauen in das obere Management, in dem transparent über Ziele, Entscheidungsprozesse und Ressourcen kommuniziert wird.
  • Messe die psychologische Sicherheit und entwickle sie kontinuierlich weiter: Nutze Fragebögen, um den aktuellen Stand zu prüfen und implementiere Maßnahmen zur stetigen Verbesserung – in diesem Artikel hast du eine Reihe von Anregungen erhalten.

Fazit

Du möchtest die psychologische Sicherheit in deinem Team fördern? Das ist zugegeben ein größeres Projekt, das vom Zusammenspiel komplexer zwischenmenschlicher Fähigkeiten geprägt ist. Es ist eben nicht damit getan, „einfach mal eine Methode anzuwenden“. Laut Edmondson ist der vielleicht wichtigste Aspekt beim Erlernen dieser Praktiken das Üben der Selbstreflexion – und diese Fähigkeit hilft dir in allen Lebenslagen weiter.

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