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Artikel mit einem Beispiel zur einer Risikoanalyse im Projektmanagement

Risikoanalyse: Ein Beispiel Schritt für Schritt erklärt

Auf einen Blick

Wie hoch muss mein Risikobudget bei einem Projekt sein? Obwohl die Kalkulation keine hohen Künste der Mathematik braucht, kann der Weg dennoch mit einigen Herausforderungen gespickt sein. Hier erfährst du Schritt für Schritt am Beispiel, wie du eine Risikoanalyse durchführst – von einer ersten Projektidee hin zu einem genau kalkulierten Risikobudget.

Im Artikel „Risikomanagement im Projekt: Der ultimative Überblick“ haben wir uns angesehen, was ein Projektmanager im Rahmen des Risikomanagements alles beachten muss und welche Schritte durchlaufen werden müssen. In diesem Artikel machen wir es noch konkreter und schauen uns eine Schritt-für-Schritt-Anleitung für ein konkretes Beispiel für die Risikoanalyse an. 

Beispiel Risikoanalyse

Stell dir vor, du sollst ein großes Fußballturnier für deine Nachbarschaft organisieren. Es gibt viele fußballbegeisterte Leute in deiner Umgebung (groß und klein), die sich gerne in einem Turnier gegeneinander messen möchten – ein klassisches Organisationsprojekt. Du legst fest, dass das Turnier Anfang September stattfinden wird und hast durch Spenden ein kleines Budget von 5.000 Euro zusammenbekommen. Das Turnier soll maximal einen Tag dauern. Das Ziel: Alle gehen zufrieden am Ende des Tages nach Hause. 

Da du vorher noch nie ein Turnier organisiert hast, überlegst du in der Vorbereitungsphase, was du alles dabei beachten solltest. Um dies nicht in den luftleeren Raum zu denken, greifst du auf die Methode der Risikoanalyse zurück. Und so gehst du vor: 

1. Risiken identifizieren

Der erste Schritt ist oft der schwierigste: das Sammeln aller möglichen Risiken. Hierfür kannst du auf vorhandene Quellen zurückgreifen (z. B. konkurrierende Ziele, Umfeldanalyse, Stakeholderanalyse, Projektstrukturplan oder Ablaufplan) oder du versuchst gerne auch mit anderen Menschen zusammen durch Methoden wie Brainstorming, Brainwriting, Mindmaps oder Café to go Risiken zu sammeln. 

Versuche beim Sammeln der Risiken auf folgende Punkte zu achten: 

  • Nenne keine Tatsachen: Risiken treten immer nur mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit ein. „Alte Anzeigetafel“ ist somit kein Risiko, sondern eine bestehende Tatsache. Diese kann allerdings zu einem Risiko führen.
  • Nenne keine Auswirkungen: „Das Budget reicht nicht“ ist kein Risiko, sondern eine Auswirkung von etwas, das vorher schiefgelaufen ist. Überlege hier: Warum reicht das Budget nicht aus? Was ist das Ereignis, das nur mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit eintritt?
  • Von außen kommend: Eine gute Denkrichtung ist, die Perspektive nach außen zu richten. Was kann von außen auf das Projekt einwirken, worauf du als Projektmanager im ersten Augenblick keinen direkten Einfluss hast (z. B. Wetter)? 
  • Hier darf negativ gedacht werden: Bleibe gerne in der kritischen Haltung und fokussiere dich auf Einflussfaktoren, die sich nachteilig auf dein Projekt auswirken könnten. 

Bei einem Fußballturnier könnten klassische Risiken sein: 

  • Es regnet während des Turniers
  • Die Technikanlage fällt aus
  • Die Stadt erteilt keine Genehmigung
  • Es melden sich nicht genügend Teilnehmer an
  • Essen und Trinken reicht nicht aus
Risikoanalyse Beispiel

Nachdem du die Risiken gesammelt hast, denkst du über die jeweiligen Ursachen und Auswirkungen nach. Diese Informationen sind hilfreich für die spätere Betrachtung von Maßnahmen. All das kannst du in einer Tabelle darstellen: 

Nr.UrsacheRisikoAuswirkung
1Wetter Anfang September oft unbeständigEs regnet während des TurniersVerminderte Eintrittseinnahmen
2Sehr alte AnzeigetafelDie Technikanlage fällt ausUnzufriedene Zuschauer
3Stadt hat RisikobedenkenDie Stadt erteilt keine GenehmigungTurnier muss abgesagt werden
4Fehlendes Marketing-Know-howEs melden sich nicht genügend Teilnehmer anTurnier ist frühzeitig zu Ende
5Unsicherheit in der VorkalkulationEssen und Trinken reicht nicht ausUnzufriedene Teilnehmer und Zuschauer

Formulierungshilfe:
Aufgrund welcher bestehenden Tatsache (Ursache) kann mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit ein negatives Ereignis (Risiko) eintreten, das negative Auswirkungen auf die Projektergebnisse (Auswirkung) hat? 

Nehmen wir an, für dieses Beispiel der Risikoanalyse treten alle Risiken ein: Am Turniertag ist schlechtes Wetter, die Anzeigetafel für den Torstand fällt aus, die Besucherränge sind weitgehend leer, dennoch haben wir viel zu viel Cola, aber der Kaffee ist schnell leer, und eigentlich dürften wir das Turnier nicht stattfinden lassen, da die Genehmigungen nicht rechtzeitig vorlagen. Eine Vollkatastrophe, oder? Um das zu vermeiden, springen wir also zu Schritt 2.  

2. Risiken bewerten und priorisieren

Bevor du in den Lösungsmodus schaltest und überlegst, wie du die Risiken vermeiden könntest, solltest du vorher noch eine Bewertung der Risiken vornehmen. Warum? Weil es wenig sinnvoll ist, letztendlich unkritischen Risiken extrem viel Aufmerksamkeit zu schenken. Ziel dieses Schritts ist also eine genauere Betrachtung und Identifikation der wichtigsten Risiken.

In dem Risikoanalyse-Beispiel des Fußballturniers erscheinen die Risiken noch übersichtlich, aber es gibt besonders bei umfangreichen oder sehr langen Projekten eine größere Vielzahl von Risiken mit unterschiedlicher Komplexität. Um hier nicht unstrukturiert zu versuchen, jedes Risiko zu vermeiden, müssen die Risiken zunächst bewertet werden. Dazu benutzt du folgende Formel:

Formel zur Berechnung des Risikowerts:
Eintrittswahrscheinlichkeit in % x Tragweite in € = Risikowert in €

Berechnung des Risikowerts

Überlege dir also zunächst die Eintrittswahrscheinlichkeit für jedes Risiko. Hier spielt Bauchgefühl und Erfahrung oft zusammen. 

Beispiel Fußballturnier:
Du kannst auf die Erfahrungswerte der Vorjahre schauen und in Wetterberichten nachsehen, wie hoch die Regenwahrscheinlichkeit Anfang September in deinem Gebiet war. Wir gehen hier von 30 % aus. Danach erfolgt die monetäre Bewertung, also die Tragweite in Euro. Welcher Schaden entsteht, wenn das Risiko eintritt?

Angenommen, du verlangst für das Fußballturnier einen kleinen Eintritt von 2 € und rechnest mit 300 Zuschauern. Im Falle von Regen werden wahrscheinlich nur die Hälfte der geplanten Zuschauer kommen. 

Somit beträgt die Tragweite (2,- EUR Eintritt x 300 Zuschauer) x 50 % = 300,- EUR 

Der Risikowert ergibt sich dann aus der Multiplikation von Eintrittswahrscheinlichkeit und Tragweite:  30 % x 300,- EUR = 90,- EUR. 

Das gleiche Schema verfolgst du nun für alle identifizierten Risiken aus Schritt 1: 

Nr.RisikoEWTWRisikowert
1Es regnet während des Turniers30 %300 €90 €
2Die Technikanlage fällt aus10 %50 € 5 €
3Die Stadt erteilt keine Genehmigung20 %2.000 €400 €
4Es melden sich nicht genügend Teilnehmer an20 %600 €120 €
5Essen und Trinken reicht nicht aus25 %900 €225 €

Insgesamt kommen wir also zu einem Risikowert 1 von: 90 + 5 + 400 +120 + 225 = 840 EUR. Das entspricht knapp 17 % des Gesamtbudgets von 5.000 EUR. 

Nicht immer ist es einfach, einen Geldwert für die Tragweite zu bestimmen:

Wenn sich die Tragweite eines Risikos nicht direkt als finanzieller Schaden darstellen lässt, ist es nicht leicht, einen Geldwert anzugeben.

Im Fall 3 der fehlenden Genehmigung ist es noch recht einfach. Man könnte die bis zum Projektabbruch vermutlich verbrauchten Mittel ansetzen, hier 2.000 €. Alternativ wäre es aber auch denkbar, das gesamte Budget von 5.000 € zu nehmen, da es sich um zweckgebundene Spenden handelt, die im Falle eines Scheiterns nicht anderweitig eingesetzt werden können. Was genau hier angesetzt wird ist also nicht eindeutig sondern Ermessenssache. Man hat die Wahl.

Noch schwieriger ist es mitunter, Auswirkungen wie „unzufriedene Zuschauer oder Teilnehmer“ einen Geldwert zuzuordnen. Mitunter gilt es hier, nach Gefühl zu gehen. Oft helfen dann vergleichende Fragen der Art „Wie schlimm ist Auswirkung X (unzufriedene Zuschauer) verglichen mit einem Totalausfall des Projektes (Absage des Turniers)?“. Eine gewisse Willkür lässt sich dabei nicht vermeiden, aber zumindest können so die nicht geldwerten Auswirkungen in sinnvoller Größenordnung zu den bereits bewerteten Auswirkungen eingeordnet werden.

Wenn du diese Bewertung vorgenommen hast, erhältst du eine gute Antwort auf die Frage, welche deiner Risiken am wichtigsten sind. Im Beispiel der Risikoanalyse ist die fehlende Genehmigung ein besonders schwerwiegendes Risiko.

3. Strategien und Maßnahmen ableiten 

Jetzt darfst du gerne in den Lösungsmodus übergehen. Das geht in 2 Schritten: 

  1. Passende Strategie wählen:
    • Risiko verlagern (z. B. beauftragen wir die Gemeinde selbst mit der Technikanlage während des Turniers)
    • Risiko vermeiden (z. B. Turnier in die Sporthalle verlegen, um den Faktor Wetter auszuklammern) 
    • Risiko akzeptieren (z. B. Teilnehmerzahl) 
    • Risiko reduzieren (z. B. eher großzügig Essen und Trinken mit Reserven vorbestellen) 
  2. Maßnahmen bestimmen:
    Hast du dich für die Reduktion oder Vermeidung des Risikos entschieden, brauchst du nun konkrete Maßnahmen. Dabei wird in präventive Maßnahmen (bezogen auf die Ursache des Risikos) und korrektive Maßnahmen (bezogen auf die Auswirkung) des Risikos unterschieden. Hier brauchst du also die Tabelle aus Schritt 1. 

Beispiel Fußballturnier:
Für das Risiko 4 „Es melden sich nicht genug Teilnehmer an“ könnten die Maßnahmen so formuliert werden: 

  • Präventiv bezogen auf die Ursache, dass zu wenig Werbung gemacht wurde: Flyer drucken und in der Nachbarschaft 4 Wochen vor dem Turnier verteilen. 
  • Korrektiv bezogen auf die Auswirkung, dass das Turnier frühzeitig zu Ende ist, da nicht genug Spiele stattfinden können: Rahmenprogramm gestalten für Zuschauer, z. B. Torwand aufstellen inkl. Gewinnspiel. 

Tipp:
Die korrektiven Maßnahmen greifen bei den Auswirkungen und können lediglich die Tragweite eines Risikos beeinflussen, während hingegen präventive Maßnahmen bei den Ursachen greifen, und daher sowohl die Eintrittswahrscheinlichkeit als auch die Tragweite reduzieren können. 

4. Risikowert 2 und Risikobudget ermitteln

Nun solltest du eine gute Übersicht haben, wie du mit deinen identifizierten Risiken umgehen möchtest. Du darfst dich jetzt für eine Maßnahme entscheiden und solltest diese in deine Risikokalkulation einberechnen: 

Beispiel Risiko 4:
Wir entscheiden uns dafür, im Vorfeld Flyer zu verteilen, um die Bekanntheit des Turniers zu erhöhen. Die Erstellung von 500 Flyern kostet insgesamt 20 EUR. Durch die Flyer reduzierst du das Risiko von 20 % auf 10 %. Durch Ergreifen dieser Maßnahme kannst du nun einen zweiten Risikowert berechnen: 

  • Vor Maßnahme (Risikowert 1): 20 % x 600 EUR = 120 EUR
  • Nach Maßnahme (Risikowert 2): 10 % x 600 EUR = 60 EUR 
  • Kosten für Maßnahme: 20,- EUR 

Du siehst also, auch rein rechnerisch lohnt sich die Erstellung der Flyer. 

Der finale Schritt besteht nun darin, das gesamte Risikobudget zu ermitteln. Keine Sorge, du hast für die Kalkulation bereits alles vorliegen, was du brauchst: 

  1. Addiere alle Risikowerte 2 
  2. Addiere alle Maßnahmenkosten 
  3. Die Summe aus den Risikowerten 2 und den Maßnahmenkosten ergibt das Risikobudget.

Sieh die Tabelle einfach als Beispiel mit angenommenen Maßnahmenkosten – der Projektleiter möchte sich nicht in die Karten schauen lassen ;-)

Nr.RisikoEW nach MaßnahmenTW nach Maßnahmen Risikowert 2Kosten Maßnahme
1Es regnet während des Turniers30 %0 €0 €50 €
2Die Technikanlage fällt aus5 %50 €2,50 €0 €
3Die Stadt erteilt keine Genehmigung10 %600 €60 €0 €
4Es melden sich nicht genügend Teilnehmer an10 %600 €60 €20 €
5Essen und Trinken reicht nicht aus10 %450 €45 €70 €

Risikobudget = Summe Risikowert 2 + Maßnahmenkosten

Beim Fußballturnier hätten wir also ein Gesamtbudget von 5.000,- EUR und müssten hier ein Risikobudget von 307,50 EUR inkludieren. 

Hinweis:
Falls das Risiko nicht verlagert oder akzeptiert wird, sind Maßnahmenkosten von 0 Euro in der Praxis unüblich. Falls in deinem Projekt beispielsweise die Maßnahme „Frühzeitige und regelmäßige Kommunikation“ ergriffen wird, zieht das nur auf den ersten Blick keine Kosten nach sich – schließlich verursachen auch diese Aktivitäten Personalaufwände. Im Beispiel haben wir diese Aufwände nicht monetär bewertet, da das Turnier auf ehrenamtlicher Basis organisiert wird und somit keine Personalkosten anfallen.

Fazit

Neben der Kalkulation an sich spielen in der Risikoanalyse einige „Wenns“ und „Falls“ eine große Rolle. Eine Risikoanalyse kann nie zu 100 % genau erfolgen, da sich Eintrittswahrscheinlichkeiten und Tragweiten häufig aus Erfahrungswerten ergeben. Dennoch sollte bei jedem Projekt ein Risikobudget einkalkuliert werden. Einerseits werden für einige Maßnahmen finanzielle Mittel benötigt. Andererseits hast du sicherlich gemerkt, dass durch die genaue Analyse der Risiken neue Perspektiven auf das Projekt geschaffen wurden, die den Projekterfolg noch wahrscheinlicher machen.  

Fragen und Antworten

Welche Kriterien spielen bei der Bewertung von Risiken eine Rolle?

Risiken werden in der Regel nach der Eintrittswahrscheinlichkeit in % und der Tragweite in € bewertet. Anders ausgedrückt: Wie wahrscheinlich ist es, dass das Risiko eintritt und wie viel kostet der entstandene Schaden?

Was ist der Risikowert?

Der Risikowert ergibt sich aus der Multiplikation aus Eintrittswahrscheinlichkeit und Tragweite und wird als Geldwert angegeben. Je höher der Risikowert, desto gefährlicher ist das Risiko für das Projekt.

Was ist der Unterschied zwischen Risikowert 1 und Risikowert 2?

Der Risikowert 1 wird aus der Eintrittswahrscheinlichkeit und der Tragweite VOR Ergreifen von Maßnahmen berechnet. Der Risikowert 2 ergibt sich aus denselben Faktoren, jedoch nach Einberechnung der präventiven oder korrektiven Maßnahmen. 

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