Auf einen Blick
Der kritische Pfad in einem Projektplan beschreibt die längste Abfolge von Aufgaben, die ohne Pufferzeit abgeschlossen werden müssen, um das Projekt fristgerecht zu beenden. In diesem Artikel werden die Identifikation der Aufgaben, deren Abhängigkeiten, Zeitabschätzungen sowie die Vorwärts- und Rückwärtsrechnung zur Bestimmung des kritischen Pfades und der Pufferzeiten erläutert. Dabei wird auf die Bedeutung der Visualisierung des kritischen Pfades im Gantt-Diagramm und Netzplan eingegangen.
Bestimmt hast du schon einmal vom kritischen Pfad gehört – aber weißt du auch, was genau es damit im Detail auf sich hat? Oder gerätst du manchmal in die Verlegenheit, den kritischen Pfad für ein Projekt selbst ermitteln zu müssen? In diesem Artikel beleuchten wir das Thema näher und spielen Schritt für Schritt ein Praxisbeispiel durch.
Was ist der kritische Pfad?
Der kritische Pfad in einem Projektplan stellt die längste Abfolge von Aufgaben dar, die ohne Pufferzeit abgeschlossen werden müssen, um ein Projekt pünktlich abzuschließen. Anders ausgedrückt: Jede Verzögerung bei Vorgängen auf dem kritischen Pfad verschiebt den Zeitplan und das Projektende.
Ist der kritische Pfad bekannt, können die Schlüsselvorgänge identifiziert und rechtzeitig Maßnahmen ergriffen werden, um den Projektablauf zu optimieren.
Die Methode des kritischen Pfades
Den kritischen Pfad kennst du nun schon – und wenig überraschend ist die Methode des kritischen Pfades (Critical Path Method, CPM) das Instrument zur Terminplanung und -kontrolle in Projekten. Sie identifiziert diejenigen Vorgänge, die den Projektabschluss verzögern könnten, und ermöglicht es Projektmanagern, Engpässe frühzeitig zu erkennen und zu beheben.
Wie wird der kritische Pfad berechnet?
Vermutlich sitzt kein Projektmanager am Schreibtisch und führt die Berechnung auf einem Blatt Papier per Hand durch – schließlich gibt es genau dafür Projektmanagement-Software, die Berechnungen automatisch erledigt. In diesem Artikel beschreiben wir allerdings den „händischen“ Weg, sodass du ein echtes Verständnis für die Methode entwickelst.
Hinweis:
Führen wir die Erstellung des Zeitplans anhand eines einfachen Beispielprojekts durch. „Echte“ Projekte sind natürlich oft deutlich detaillierter und beinhalten deutlich mehr Vorgänge, doch zum Illustrieren des Konzepts ist so ein vereinfachtes Beispiel gut geeignet.
1. Bestimmen aller Vorgänge
Der erste Schritt ist essenziell: Du sammelst alle Aufgaben, die in deinem Projekt erledigt werden müssen. Gehe hier sorgfältig und am besten im Team vor und orientiere dich beispielsweise am Projektstrukturplan. Werden hier Aktivitäten vergessen, muss die komplette Planung noch einmal neu durchgeführt werden.
Beispielprojekt: Umzug in eine neue Wohnung
Folgende Aktivitäten werden identifiziert:
- A: Kisten packen
- B: Möbel abbauen
- C: Alte Wohnung putzen
- D: Transporter mieten
- E: Umzug durchführen
- F: Neue Wohnung einrichten
2. Festlegen der Abhängigkeiten
Nachdem alle Vorgänge erfasst wurden, legst du die Abhängigkeiten zwischen den einzelnen Aufgaben fest. Diese Abfolge bestimmt, in welcher Reihenfolge die Vorgänge ausgeführt werden müssen. Stell dir folgende Fragen:
- In welcher Reihenfolge müssen diese Aufgaben prinzipiell ausgeführt werden? Hier geht es um die logische Abfolge, ohne Berücksichtigung von zeitlichen Aspekten.
- Welche Aufgaben können erst begonnen werden, wenn andere abgeschlossen sind?
- Gibt es Aufgaben, die parallel ausgeführt werden können?
Beispiel:
Die meisten Aufgaben müssen nacheinander ablaufen, beispielsweise kann die alte Wohnung erst geputzt werden, wenn alles gepackt und abgebaut ist. Das Putzen der Wohnung und das Mieten des Transporters können parallel ablaufen.
3. Abschätzen des Zeitbedarfs für die Vorgänge
Nun ist Erfahrung und Bauchgefühl gefragt: Wie lange werden die einzelnen Vorgänge dauern? Dies ist ein wesentlicher Schritt bei der Berechnung des kritischen Pfads – die Abschätzung des Zeitbedarfs für jede Aufgabe. Eine realistische Einschätzung der Dauer der Vorgänge ist entscheidend für die Bestimmung des Gesamtzeitplans.
Die Zeitabschätzungen basieren auf Erfahrungswerten, Expertenmeinungen und auf historischen Daten vergangener Projekte. Je fundierte die Schätzung des Zeitbedarfs erfolgt, desto genauer fällt die Projektplanung aus. Tipp: Nutze sowohl eine optimistische als auch eine pessimistische Abschätzung der Zeitdauer, um realistische Angaben zu erhalten. Mehr zum Thema Aufwandschätzung findest du in diesem Artikel.
4. Vorwärtsrechnung
In der Vorwärtsrechnung wird ermittelt, wann die einzelnen Aufgaben frühestens beginnen können. Die einfache Formel: Nimm das Ende des Vorgängers und addiere die Dauer des aktuellen Vorgangs. Mit der Berechnung ermittelst du auch die Gesamtdauer des Projekts – im Beispiel 12 Tage.
Beispiel:
Nach 6 Tagen ist klar, wie viel Volumen durch Kisten und Möbel zusammenkommt, also kann ein entsprechend großer Transporter gemietet werden. Diese Aufgabe kann frühestens nach 6 Tagen beginnen, dauert 1 Tag und ist deshalb frühestens nach 7 Tagen erledigt.
5. Rückwärtsrechnung
Die Rückwärtsrechnung beantwortet die Frage, wann ein Vorgang spätestens ablaufen darf, ohne die Gesamtdauer des Projekts zu verlängern. Wir gehen also von der ermittelten Projektdauer (im Beispiel 12 Tage) aus und rechnen rückwärts.
Beispiel:
Spätestens nach 9 Tagen muss der Transporter gemietet sein, damit die nachfolgenden Vorgänge pünktlich beginnen können. Da das Mieten 1 Tag dauert, muss spätestens nach 8 Tagen damit begonnen werden.
6. Pufferzeiten berechnen und kritischen Pfad ermitteln
Jetzt wird es spannend: In diesem Schritt werden Pufferzeiten berechnet, indem folgende Frage beantwortet wird: Wie groß ist die Differenz zwischen dem spätesten und frühesten Endzeitpunkt? Falls es einen Puffer gibt, kann der Vorgang bis zu einem gewissen Grad verschoben werden, ohne dass das Gesamtprojekt verzögert wird. Ist der Puffer jedoch 0, ist eine Verschiebung nicht möglich – der Vorgang ist kritisch.
Beispiel:
Der einzige Vorgang mit einem Puffer ist das Mieten des Transporters, der um bis zu 2 Tage geschoben werden kann. Alle anderen Vorgänge haben einen Puffer von 0 und liegen damit auf dem kritischen Pfad.
Hinweis:
Es wird sogar noch weiter unterschieden zwischen Freiem Puffer und Gesamtpuffer. Auf diese Unterscheidung gehen wir in diesem Artikel nicht näher ein.
Netzplan vs. Gantt-Diagramm: Kritischen Pfad visualisieren
Ein Gantt-Diagramm kennst du sicher: Es ist beliebt als visuelles Werkzeug zur Projektplanung, in dem Aufgaben, deren Dauer und zeitliche Abhängigkeiten in Form von Balken entlang einer Zeitachse darstellt werden. Der kritische Pfad wird häufig mit roter Farbe hervorgehoben, um direkt die Schlüsselvorgänge erkennen zu können.
Die Netzplantechnik wird in der Praxis oft nur im Hintergrund von einer Projektmanagement-Software angewendet. Netzplan und Gantt-Diagramm basieren auf den gleichen Daten, wobei aus einem Netzplanknoten mehr Detailinformationen abgelesen werden können. In der Praxis wird ein Gantt-Chart jedoch von vielen als eingängiger empfunden. Kritische Vorgänge werden je nach Software rot hervorgehoben oder mit roten Linien verbunden.
Diese Grafik zeigt einen Ausschnitt – das gesamte Diagramm wäre zu unübersichtlich:
Warum ist der kritische Pfad im Projektmanagement für dich wichtig?
Mal Hand aufs Herz: Wer berechnet schon im Detail kritische Vorgänge – und das per Hand? Vermutlich niemand. Trotzdem ist es wichtig, die Methode zu kennen:
- Abhängigkeiten erkennen: Durch die manuelle Berechnung wird das Verständnis für die komplexen Abhängigkeiten zwischen den einzelnen Projektaufgaben geschärft.
- Engpässe identifizieren: Du lernst, potenzielle Engpässe frühzeitig zu erkennen und entsprechende Maßnahmen zu ergreifen.
- Fehler erkennen: Wer das Konzept versteht, kann Fehler in den Software-Ergebnissen leichter erkennen und korrigieren.
- Einstellungen optimieren: Die Softwareeinstellungen können gezielter angepasst werden, um genau die Informationen zu erhalten, die benötigt werden.
- Fachsprache beherrschen: Durch das Verständnis der Fachbegriffe kann man sich präziser mit anderen Projektbeteiligten austauschen.
- Komplexe Zusammenhänge erklären: Auch Laien können komplexe Zusammenhänge im Projekt besser vermittelt werden.
Fazit
Wenn du den kritischen Pfad bisher nur vom Hörensagen kanntest, solltest du jetzt ein gutes Verständnis dafür haben, wie wichtig er für die Projektplanung ist. Auch wenn du in der Praxis meist auf Software zurückgreifen wirst, ist es hilfreich, die dahinterliegenden Konzepte zu kennen. Mit diesem Wissen kannst du in deinen Projekten gezielt die entscheidenden Aufgaben im Blick behalten und sicherstellen, dass alles pünktlich und reibungslos abläuft.